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Kolonisten und der Kolonialverwaltung auf Herabsetzung verschiedener Tarifpositionen in größerem Maße, als bisher entsprochen wird. Mit unseren Schutzgebieten in Ostasien und in der Südsee ist inzwischen ein regelmäßiger Post-, Passagier- und Frachtverkehr durch den Norddeutschen Lloyd hergestellt worden, der Tsingtau mit seinen Reichspostdampfern unmittelbar anläuft, während er mit Neuguinea und den Karolinen durch Zweiglinien der Austral-Japan-Linie, sowie durch die Singapore-Neuguinea-Zweiglinie regelmäßige Verbindungen unterhält und im Anschluß an diese das Inselgebiet durch einen seiner Dampfer versorgt, so daß zurzeit nur noch Samoa einer deutschen Schiffsverbindung ermangelt. Durch Ausbau der Häfen Daressalam, Tanga, Lüderitzbucht und neuerdings Duala, sowie durch die Errichtung eiserner Landungsbrücken in Swakopmund und Lome ist die Regierung bemüht gewesen, die Landungsverhältnisse dauernd zu verbessern. Daß diese Bestrebungen nicht ohne Erfolg gewesen sind, geht unter anderem aus dem Stande des Schiffsverkehrs hervor, der allein in den dem Kolonialamt unterstehenden Schutzgebieten im Jahre 1911 3300 Schiffe mit einem Raumgehalt von über 6 000  000 Registertonnen betragen hat.

Grenzregulierungen. Erwerb Neu-Kameruns.

Die Beziehungen unserer Schutzgebiete zu den Nachbarkolonien waren, wenn wir von vorübergehenden Grenzschwierigkeiten mit dem früheren Kongostaat Ende der 90er Jahre und mit der Kapkolonie während des südwestafrikanischen Feldzuges absehen, im allgemeinen freundliche und gute. Sie sind durch eine Reihe internationaler Verträge geregelt, die sich namentlich auf die Festlegung der gegenseitigen Grenzen beziehen. Mit Großbritannien wurden Abkommen über die Festsetzung der Grenze zwischen dem Kilimandjaro und der ostafrikanischen Küste und über die beiderseitigen Interessensphären in dem Gebiete am Golf von Guinea getroffen. Ihnen folgten, ebenfalls während der 90er Jahre, ein Abkommen mit Portugal über die ostafrikanische Südgrenze und die wichtigen Verträge mit Frankreich über die Abgrenzung von Togo und über die zwischen Kamerun und dem französischen Kongo neben Festsetzung der Interessensphäre im Tschadsee-Gebiet. Schon kurze Zeit, nachdem die letztere auf einer Konferenz in Berlin durch Delegierte der beiderseitigen Kolonialämter in glücklicher Weise gelöst worden war, indem die willkürlich schematischen durch natürliche, für Deutschland günstige Grenzen ersetzt wurden, erfolgte durch den Marokko-Kongo-Vertrag eine vollständige Umgestaltung der Ost- und Südgrenze dieses Schutzgebietes. Gegen Abtretung des fruchtbaren, von einem besonders tüchtigen, volkreichen und wohlhabenden Stamme bewohnten sog. Zwischenstromlandes im Nordosten wurden sehr viel größere, auf etwa 250 bis 275  000 Quadratkilometer geschätzte Gebiete des französischen Kongo, südlich und östlich der bisherigen Kolonie Kamerun, eingetauscht. Die Befürworter des Abkommens hoben als besondere Vorzüge die Erwerbung größerer kautschukreicher Landstriche und die Ausdehnung des deutschen Gebietes bis an den Kongofluß und an den belgischen Kongostaat hervor. Dem stellten die Gegner desselben, zu denen, wie aus den im Reichstage vom Reichskanzler abgegebenen Erklärungen genügend bekannt geworden ist, in erster Linie der damalige Chef der Kolonialverwaltung

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 1. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 445. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_1.pdf/461&oldid=- (Version vom 12.12.2020)