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Ihre Anwendung übt heute großen Einfluß auf den Bau elektrisch betriebener Maschinen, besonders der Hebemaschinen aus.

Von besonderer Wichtigkeit ist auch der Fortschritt in der Herstellung von Rohren, besonders der nahtlosen Rohre, für hohen Druck, hohe Temperatur und große Längen der Leitungen. Die Vervollkommnung der Isoliermaterialien ist von Einfluß gewesen auf die Fernleitung von Wärme und Kälte in Rohrleitungen.

Die Vernietungen werden heute infolge der neuen auf Versuche gegründeten Erkenntnisse anders und sorgfältiger behandelt als früher, die neuen Kessel, Eisenbauten und Brücken tragen dem Rechnung.

Ein neues Konstruktions-Element für chemische Apparate von hohem Druck und wechselnder Temperatur ist der nahtlos gepreßte und gewalzte Gefäßzylinder.

Die Wahl der Form und der Abmessungen der Maschinenteile ist nach drei Richtungen genauer und richtiger geworden. An die Stelle des, den Verhältnissen nur in engen Grenzen Rechnung tragenden Maschinenbau-Rezeptes ist die Berechnung nach den Regeln der Mechanik und Festigkeitslehre, an die Stelle der Verhältniszahlen die Berücksichtigung der elastischen Formänderungen, der Erzitterungen und periodischen Schwingungen unter dem Einfluß des Kräftespieles der Maschine getreten. Die Rücksicht auf falsch verstandene Ästhetik ist dem Prinzip der Zweckmäßigkeit und der Bedingung rascher, billiger und dabei genauer Herstellung gewichen. Die früher in so weitgehendem Maße nötige Paßarbeit bei der Montage der Maschine ist nahezu ausgeschaltet, die Teile müssen, wie man sich übertrieben ausdrückt, zur fertigen Maschine von selbst zusammenfallen. Das kann aber die Werkstätte nicht allein leisten, der Konstrukteur muß von Hause aus darauf hinarbeiten.

Praktische Ausbildung der Ingenieure.

Aus diesem Grunde ist eine sehr sorgfältige, jeden Zeitverlust vermeidende praktische Ausbildung des jungen Ingenieurs in einer, nach den obigen Regeln arbeitenden Maschinenfabrik die erste Grundlage seines Könnens. Ungeeignet ist die Ausbildung in Reparatur- und Hilfswerkstätten eines nur einem Zweck dienenden Betriebes, z. B. in den Eisenbahnwerkstätten, kurzsichtig ist das Fernhalten des Konstrukteurs von den Werkstätten, welche seine Konstruktionen ausführen. Die Frage der praktischen Ausbildung der Ingenieure ist in formeller Hinsicht durch die technischen Hochschulen insofern gefördert worden, als die Zulassung zur Diplom-Prüfung von einer einjährigen praktischen Tätigkeit als Arbeiter abhängig gemacht ist, in sachlicher Hinsicht ist leider ein großer Rückschritt zu verzeichnen, denn die Zulassung zu den Werkstätten der Industrie geschah früher unentgeltlich, jetzt meist nur gegen Zahlung einer bestimmten Summe. Die Unterweisung der Praktikanten durch die Betriebsingenieure und Werkmeister ist infolge des schnelleren Tempos, nach welchem in den Werkstätten heute gearbeitet werden muß, schlechter statt besser geworden. Da unter diesen Umständen die Werke die Unterweisung während der ersten Monate der praktischen Arbeitszeit nicht mehr übernehmen können, ist es Pflicht des Staates, hier mit Unterstützung durch die großen technischen Vereine und die Industrie helfend einzugreifen und die erste Unterweisung

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 547. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/110&oldid=- (Version vom 20.8.2021)