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sich nicht nur in bezug auf Maschinenteile, sondern auch hinsichtlich der Maschinentypen auf Massenherstellung einzurichten. Bei uns mußte erst das Bedürfnis nach einer größeren Zahl von Maschinen gleicher Type eintreten und namentlich erst eine nennenswerte Ausfuhr ins Ausland erreicht werden, ehe wir uns in gleicher Weise einrichten konnten. Aber wir hätten wenigstens sehr viel früher die Verwendung möglichst vieler Maschinenteile gleicher Art und Größe bei unseren Maschinen anstreben können. Darauf war damals der Konstrukteur noch gar zu wenig erzogen. Heute haben wir auch diesen Fehler zum größten Teile abgelegt. Wir bauen deshalb, wieder angeregt durch die Amerikaner, Automaten, welche kleinere Maschinenteile aus dem Roh- oder Halbfabrikat genau nach Maß in Massen herstellen, wobei die Einwirkung des Arbeiters sich auf das einmalige Einstellen bestimmter Maße und Arbeitsgeschwindigkeiten beschränkt.

Alle diese Aufgaben erforderten die angestrengteste Arbeit des wissenschaftlich vorgebildeten Ingenieurs. So ist denn auch an den technischen Hochschulen an die Stelle des Lehrstuhles für lediglich beschreibende Technologie der Lehrstuhl für Herstellungsverfahren und Werkzeugmaschinen getreten, ausgestattet mit Lehr- und Forschungs-Laboratorien.

Gießerei.

In der Gießerei gehören die Formmaschinen, die Preßluft-Werkzeuge, das Sandstrahlgebläse zum Gußputzen, die Entstaubungsanlagen an den Form- und Putztischen und eine weitgehende Ausrüstung mit Dreh- und Fahrkranen zu den modernen Forderungen. Die Gußstücke sind zum Teil größer, zum Teil infolge der Massenerzeugung zahlreicher und gleichartiger geworden, die Furcht vor der Herstellung komplizierter Gußstücke ist geschwunden, der Formmeister macht, unterstützt durch den Modelltischler, fast jede verlangte Form. Die Formmaschinen ermöglichen so genaue Arbeit, daß wir sogar Zahnräder mit fertig gegossenen gekrümmten Zahnformen ohne Nacharbeit an den Zähnen mit verhältnismäßig großer Geschwindigkeit laufen lassen.

Kesselschmiede. Eisenbau.

In der Kesselschmiede und im Eisenbau sind neu die Ausrüstung mit Preßluftwerkzeugen zum Bohren, Aufreiben, Nieten, Verstemmen, die Vorrichtung zum Schneiden mit der Stichflamme und zum Schweißen mit der Gebläseflamme durch eine Art von Schmelze unter Verhinderung der Oxydation (autogenes Schweißen). Die Schmiede ist mehr als früher mit Schmiedehämmern, die den verschiedenen Schmiedearbeiten angepaßt sind, ausgestattet, das Schmieden im Gesenk und die Schmiedepresse haben an Bedeutung zugenommen wegen der Anpassung an die Massenerzeugung.

Diese Fortschritte in den Werkstätten der Maschinen-Industrie und die hierdurch erzielten Ersparnisse ermöglichen die Deckung der von Jahr zu Jahr wachsenden Kosten der gesetzlichen und freiwilligen Fürsorge für ihre Arbeiter und Beamten, ohne die deutsche Industrie im Wettbewerb mit dem, durch solche Ausgaben noch kaum belasteten Ausland zu behindern.

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 549. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/112&oldid=- (Version vom 20.8.2021)