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Wirtschafts-, Sozial- und Finanzpolitik in ihren Zusammenhängen
Von Professor Dr. Adolph Wagner, Berlin, Wirklicher Geheimer Rat, Mitglied des Herrenhauses


Diese Zusammenhänge.

Die Wirtschaftspolitik, die Finanz- und Steuerpolitik und die Sozialpolitik eines Zeitalters stehen immer in einem gewissen Zusammenhang, vor allem in unserer modernen Zeit, und je mehr wir uns der Gegenwart nähern, um so mehr und um so bewußter, so daß sich deutlich ein Wechselwirkungsverhältnis ergibt. In einem geordneten Staatswesen, wo die organische historische Entwicklung nicht unterbrochen wird, vollzieht sich diese in ruhiger, geordneter Weise durch den Aufbau und Ausbau der einschlagenden Gesetzgebung und Verwaltung auf den geschichtlich gegebenen Fundamenten. Diese Entwicklung wird dann nicht so viel Neues und Originelles, aber um so mehr den Charakter eines organischen Wachstums des Staatslebens zeigen und damit auch als gesund und richtig in allem Wesentlichen anerkannt werden dürfen.

Das gilt in ausgeprägtem Maße von der Politik des Deutschen Reichs und Preußens in Volkswirtschaft, Finanzen und sozialen Verhältnissen, und von der zur Ausführung dienenden Gesetzgebung und Verwaltung in der letzten viertelhundertjährigen Periode der Geschichte des jungen Deutschen Reichs und seines Bildners und Kerns, des preußischen Staats, in der Regierungszeit des Kaisers und Königs Wilhelm II, seit 1888 bis 1913. Nicht daß es auch hier an Wechselfällen, Richtungsschwankungen auf diesen wie auf anderen Gebieten der Reichs- und Staatspolitik ganz gefehlt hätte − die Zeit vor und nach Bismarck zeigt davon die stärksten Spuren, die in geringerem Maße auch in der langen Zeit seit 1890 mit dem Wechsel der Kanzlerschaften und hier und da auch während der einzelnen sich offenbarten. − Aber im wesentlichen tritt doch eine einheitliche gleichmäßige, für die Entwicklung des Staats- und Volkslebens förderliche Gestaltung der deutschen und preußischen Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik hervor, wie sie die Bedürfnisse von Reich und Staat, von Volk und Volkswirtschaft verlangt haben. Das, wozu seit der Neuordnung der Verhältnisse nach der französischen Kriegszeit vor 100 Jahren in der ruhigen Friedensperiode von 1815 bis 1848/66 der Grund gelegt wurde, vor allem mittels der großen Tat, der Schöpfung und Ausbildung des Zollvereins seit 1834, und der noch größeren und eingreifenderen, der Herstellung des Norddeutschen Bundes nach den Ereignissen von 1866 und seiner Erweiterung zum Deutschen Reiche nach dem Krieg 1870/71 gegen Frankreich, das alles mußte erst gelungen und nach innen und außen dauerhaft begründet sein. Hierdurch ist auch der Zollverein erst ein dauerndes

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 451. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/14&oldid=- (Version vom 31.7.2018)