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Von den neuen Verfahren zur Salzsäurebereitung scheint die Zersetzung der aus den Staßfurter Abraumsalzen stammenden, in unerschöpflicher Menge vorhandenen Chlormagnesiumlauge am geeignetsten zu sein.

Salpetersäure.

Salpetersäure wird in Deutschland heute, wie zur Zeit der Alchimisten, immer noch durch Einwirkung von Schwefelsäure auf Salpeter hergestellt, nur daß für den damals verwendeten Kalisalpeter der Chilesalpeter getreten ist. Von Verbesserungen kommt für Deutschland in den letzten 25 Jahren eigentlich nur die Anwendung des luftverdünnten Raumes in Betracht, wodurch teilweise Zersetzung der bereits gebildeten Salpetersäure verhindert wird.

Die im Auslande, und zwar zurzeit in Norwegen, Tirol und in der Schweiz mit Erfolg versuchte Gewinnung der Salpetersäure aus dem Stickstoff der Luft dürfte für Deutschland nicht in Frage kommen, da hierzu sehr billige Betriebskräfte gehören, wie sie in den angeführten Ländern mit ihren reichen Wasserkräften zur Verfügung stehen. Für Deutschland kommt zunächst nur das in Betracht, was von Luftsalpetersäure, Kalisalpeter und Natriumnitrit, welche mit Hilfe des elektrischen Stromes erhalten werden, eingeführt und verwertet wird.

Das ganze Quantum von Natriumnitrit, welches 5000 Tonnen beträgt und welches in den deutschen Farbenfabriken zur Anwendung kommt, stammt heute nur allein aus Norwegen.

Auch die Einfuhr an Norgesalpeter (Kalksalpeter) nach Deutschland hat von Jahr zu Jahr zugenommen. Sie betrug im ersten Jahre, als dieses Produkt hergestellt wurde, nämlich im Jahre 1907, zirka 630 Tonnen im Werte von 112 000 M. und ist innerhalb fünf Jahren auf 4800 Tonnen im Werte von 672 000 M. gestiegen.

Trotzdem wird, wenn auch die Salpetersäureproduktion durch Verwertung neuer Wasserkräfte sich noch erheblich steigern sollte, von einer Konkurrenz mit dem Chilesalpeter noch lange nicht die Rede sein können, da die riesigen Salpeterfelder Chiles und der benachbarten Staaten unerschöpflich zu sein scheinen. Zur Zeit beträgt die jährliche Ausfuhr von Salpeter aus Südamerika 2,5 Mill. Tonnen, wovon 800 000 Tonnen nach Deutschland kommen.

Die Salpetersäurefabrikation, welche in Deutschland vor zirka 25 Jahren etwa 15 000 Tonnen betrug, ist heute auf 150 000 Tonnen gewachsen, was einem Werte von 48 Mill. Mark entspricht.

Die Salpetersäure dient zur Herstellung von Nitroglyzerin und Nitrozellulose für Sprengstoffe, Zelluloid, Kohlenfäden von Glühbirnen und Kunstseide, ferner für Nitrokörper in der Teerfarbenindustrie und Sprengtechnik, für Ammonnitrat für Sicherheitssprengstoffe, als Trennungsmittel von Gold und Silber (Scheidewasser), als Oxydationsmittel, als Sauerstoffträger in der Schwefelsäurefabrikation und für zahlreiche andere Zwecke.

Chlorindustrie.

An die oben näher skizzierte Industrie der wichtigsten anorganischen Säuren schließt sich am besten die Chlorindustrie an, welche in

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 585. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/148&oldid=- (Version vom 17.7.2016)