Seite:Deutschland unter Kaiser Wilhelm II Band 2.pdf/151

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

direkt von den Pflanzen aufgenommenen und darin besonders zu Eiweißkörpern verarbeiteten Salpeter in erster Linie Natron- oder Chilesalpeter. Daneben aber spielt heute das Ammoniak eine große Rolle, welches als Sulfat in den Handel kommt.

Quellen für die Ammoniakgewinnung.

Die Hauptquelle für das Ammoniak und dessen Salze sind heute die Kokereien und Leuchtgasfabriken; denn die darin der trockenen Destillation unterworfene Steinkohle enthält 1 bis 2 Prozent Stickstoff, welcher zum Teil in Ammoniak übergeht und sich in den sogenannten Gaswässern wiederfindet.

Nachdem nun seit dem letzten Vierteljahrhundert unsere Eisenindustrie und die damit eng verbundene Koksfabrikation infolge der Anwendung des basischen Thomasverfahrens einen geradezu beispiellosen Aufschwung genommen haben, so ist auch die Ammoniakgewinnung immer mehr und mehr gestiegen.

Weitere Quellen für die Ammoniakgewinnung sind die Leuchtgasfabrikation, welche namentlich in England eine große Rolle spielt, die trockene Destillation von bituminösem Schiefer, Schweelkohle und Torf und die Verarbeitung von Kalkstickstoff.

Die heutige Weltproduktion von schwefelsaurem Ammoniak beträgt 1,3 Mill. Tonnen; Deutschland ist daran mit 490 000 Tonnen beteiligt.

Durch diesen Weltverbrauch von Ammonsulfat werden dem Erdboden 270 000 Tonnen, durch den Weltverbrauch an Chilesalpeter (2,4 Mill. Tonnen) 273 000 Tonnen Stickstoff zugeführt.

Ein neues Verfahren der Ammoniakgewinnung aus dem Luftstickstoff und Wasserstoff mit Zuhilfenahme von Kontaktsubstanzen, bei einer Temperatur von 500° und einem Druck von 200 Atmosphären (nach Haber) wird in der badischen Anilin- und Soda-Fabrik in größtem Maßstabe ausgeführt werden.

Leider geht das meiste Ammoniak heute noch immer durch Verbrennung unserer Kohlen in die Luft. Bei dem heutigen Jahresverbrauch von etwa 1000 Mill. Tonnen Steinkohlen (in Deutschland 156 Mill. Tonnen) 100 Mill. Tonnen Braunkohlen und 10 Mill. Tonnen Torf sind dieses aber sehr beträchtliche Mengen Ammoniak.

Fortschritte in der Herstellung gasförmiger Produkte.

Ganz besonders große Fortschritte hat die chemische Industrie in dem letzten Vierteljahrhundert bei der Herstellung von gasförmigen Produkten gemacht, welche teils wegen ihrer physikalischen Beschaffenheit, wie der Wasserstoff wegen seines geringen spezifischen Gewichtes (0,07 gegen Luft = 1), teils wegen ihrer chemischen Eigenschaften in der Technik immer größere Anwendung finden.

Über die Gase Chlor und Ammoniak wurde schon oben gesprochen; die Herstellung von flüssiger Luft durch Linde und andere ist ein rein physikalischer Vorgang und hat für die chemische Industrie insofern großen Wert, als man auf diese Weise möglichst reinen Sauerstoff (flüssige Luft) und möglichst reinen Stickstoff in großem Maßstabe erhalten kann. Auf chemischem Wege wird Sauerstoff neben Wasserstoff durch Elektrolyse des Wassers technisch gewonnen.

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 588. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/151&oldid=- (Version vom 8.8.2016)