Seite:Deutschland unter Kaiser Wilhelm II Band 2.pdf/166

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

mehr Meterwaren herzustellen, als wenn die Seide nicht erschwert ist. Dadurch stellt sich denn auch der Verkaufspreis der Seidenstoffe wesentlich billiger, denn die Erschwerung ist im Verhältnis zur Seide sehr billig. Das große Publikum ist in der Lage, die billigeren Seidenstoffe zu kaufen, wodurch Weberei und Färberei wieder reichliche Produktionsgelegenheit bekommen. Man kann also wohl behaupten, daß das Erschweren der Seide erheblich zur Hebung und Förderung der gesamten Seidenindustrie beigetragen hat.

Über die Bedeutung der deutschen Farbstoffindustrie geben folgende Zahlen Aufschluß. Der Wert der Jahresproduktion wird auf 250 Millionen M. geschätzt. Etwa ¼ hiervon bleibt in Deutschland, ¾ gehen ins Ausland. Es gibt in Deutschland etwa 15 Teerfarbenfabriken mit gegen 1000 Chemikern und 25 000 Arbeitern. Einige dieser Fabriken sind Riesenunternehmungen mit je 36 Millionen M. nominellem Aktienkapital.

Mit der Verbesserung des Farbprozesses hat auch die Verbesserung der Färbeapparate Schritt gehalten. Es sei besonders auf die Erfolge hingewiesen, die bei dem Färben von Garnen in aufgewickeltem Zustande erzielt worden sind.

Neuerungen auf den verschiedenen Arbeitsgebieten.

Nicht minder wichtig wie die besprochenen Fortschritte, die die ganze Textilindustrie beeinflußt haben, sind die vielen Verbesserungen und Neuerungen bei den einzelnen Arbeitsmaschinen und Arbeitsverfahren. Die Bestrebungen gehen dahin, die Produktion zu erhöhen, das Material zu schonen, die Abfälle, namentlich bei teuren Materialien zu verwerten und durch Einführung neuer Spezialmaschinen an Arbeitskräften zu sparen. Hand in Hand laufen damit die Bemühungen, die Arbeiter vor Unfällen an den Arbeitsmaschinen durch Sicherheitsvorkehrungen zu schützen und die Arbeitsräume durch sanitäre Einrichtungen zu verbessern. Auch ist das Bestreben unverkennbar, bei Neueinrichtung von Fabriken dem Schönheitssinn durch Berücksichtigung der Forderungen der modernen Architektur Rechnung zu tragen. Elektrischer Antrieb bürgert sich mehr und mehr ein und läßt die unschönen, die Übersichtlichkeit des Betriebes störenden und zu Unsauberkeiten leicht Veranlassung gebenden Transmissionen verschwinden. Aus den einzelnen, im folgenden betrachteten Arbeitsgebieten können nur die wichtigsten Neuerungen berücksichtigt werden.

Baumwollindustrie.

In der Baumwollspinnerei haben die Mischmaschinen, die ihnen verwandten Kastenspeiser und die pneumatischen Vorrichtungen, die das beim Verpacken an der Gewinnungsstelle stark zusammengepreßte Material in Einzelflocken auflösen und in die Mischungsstöcke befördern, zur Verbilligung und Verbesserung des ersten Arbeitsvorganges in der Fabrik beigetragen. Überhaupt sind die Beförderungsvorrichtungen für das Material von Maschine zu Maschine wesentlich geändert worden, was durch zweckentsprechende Anordnung der Öffner und Schlagmaschinen ermöglicht wurde. Durch diese Vorkehrungen und die Vakuumentstaubung, die Staub und Materialflug unmittelbar von den Maschinen

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 603. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/166&oldid=- (Version vom 29.1.2017)