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Luftbewegung durch Windflügel im Innern der Trockenkästen hat das englische Prinzip, die Luft hauptsächlich an der Kette entlang streichen zu lassen, überholt. Die in Verbindung mit den Schlichtmaschinen arbeitende Kettenkreuz-Einlesemaschine, die in wenigen Minuten die Arbeit verrichtet, ist eine deutsche Erfindung. Hinsichtlich der amerikanischen Kettenanknotmaschine, die 100 000 Knoten in 10 Stunden leistet, hat die deutsche Firma Gentsch in Glauchau die Konkurrenz mit einer Kettenandrehmaschine aufgenommen. Maschinen zum Einziehen der Kette in das Geschirr und das Blatt werden vorläufig noch ausschließlich von einer amerikanischen Firma geliefert. Jedoch baut die Firma Baer & Co. in Zürich seit Jahren eine Maschine zum Einziehen in das Blatt, die im Wuppertal viel im Gebrauch ist. Die Schußspulmaschinen, sowohl als Kötzer- als auch als Schlauchcopsmaschine, sind von deutschen Firmen so verbessert worden, daß sie die englischen Konstruktionen in den Schatten stellen.

Die Stühle für die Baumwollweberei, die von den Engländern als Massenartikel in ziemlich roher Ausführung geliefert werden, sind unter dem Einfluß deutscher Konstrukteure zu Präzisionsmaschinen umgestaltet worden. Sie wurden zuerst in Schlesien und Sachsen aufgenommen. Der Westen, veranlaßt durch seine geographische Lage, Tradition und persönliche Beziehungen, bezieht teilweise heute noch englische Fabrikate, die Einfuhr geht jedoch ständig zurück. Die hauptsächlichsten Verbesserungen des Webstuhls zielen seit einigen Jahren dahin, ihn automatisch einzurichten, namentlich die Schußspulen selbsttätig auszuwechseln und den Stuhl bei Fadenbruch still zu setzen, also nicht den Stuhl, sondern den Arbeiter, der mehrere Stühle bedienen kann, leistungsfähiger zu machen. Die Neuerungen sind uns aus Amerika überkommen. Solange die amerikanischen Patente in Gültigkeit sind, sind die deutschen Stuhlbauer an Lizenzverträge gebunden. Die Versuche deutscher Konstrukteure, nicht die Spulen allein, sondern die Schützen mit Spule automatisch auszuwechseln, haben noch nicht viel Erfolge gehabt.

Leinenindustrie.

Im Bau von Spinnmaschinen für den Flachs haben die Engländer am längsten das Monopol behauptet, namentlich dadurch, daß es ein Syndikat der drei leistungsfähigsten Firmen lange Zeit verstand, keine Konkurrenz aufkommen zu lassen. Erst in neuester Zeit ist es zuerst anderen englischen Firmen und dann auch den deutschen Firmen Seydel & Co. in Chemnitz, Oskar Schimmel & Co. in Chemnitz, C. Oswald Liebscher in Chemnitz und N. Schlumberger & Co. in Gebweiler gelungen, in Wettbewerb mit dem Ringe zu treten. Zu den wichtigsten Errungenschaften ist zunächst die automatisch arbeitende Flachskluppen-Ein- und Um- und Ausspannvorrichtung an den Hechelmaschinen zu rechnen. Alle bei dieser Maschine noch erforderlichen Handarbeiten bis auf das Einlegen und Wegnehmen der Flachsbänder wird selbsttätig von der Maschine besorgt, so daß die vorher erforderlichen vier Bedienungspersonen durch eine ersetzt sind und die Maschine auch noch leistungsfähiger geworden ist. Zu erwähnen wären noch die Versuche, die gehechelten Flachsbärte unmittelbar an die Anlegemaschine abzugeben. Einen großen Fortschritt zur Erzielung von Materialersparnis, die bei dem immer teurer werdenden

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 605. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/168&oldid=- (Version vom 19.2.2017)