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Rohmaterial von Wichtigkeit ist, stellt die Schüttelmaschine dar, die ihre Entwicklung deutschen Erfindern verdankt. Die Karden sind durch die automatischen Speiseapparate und durch die Einführung der Hechelfelder mit Kettenführung und mit schiebenden Hechelstäben verbessert worden. Die Strecken- und Vorspinnmaschinen sind in bezug auf ihre Leistungsfähigkeit vervollkommnet worden. Bei den Feinspinnmaschinen sind mit Erfolg viele Versuche gemacht worden, die Lagerung und Schmierung der Spindeln zu verbessern, dagegen ist man in Bezug auf den Bau der Spindeln selbst immer wieder zur alten Flügelspindel zurückgekehrt. Vielleicht gelingt es aber der Flügelspindel der Firma Seydel & Co. in Bielefeld, die in einer einzigen, das Hals- und Fußlager zugleich bildenden, mit Öl gefüllten Hülse gelagert ist, sich einzubürgern. Hinzuweisen wäre auch noch auf die Erfindung der Firma N. Schlumberger & Co. in Gebweiler, die berufen erscheint, eine vorteilhaftere Verarbeitung der kürzeren Heden zu ermöglichen.

Bei den Vorbereitungsmaschinen der Leinenweberei sind die Fortschritte der Baumwollweberei nutzbar gemacht worden. In der Leinenindustrie hat sich die Handweberei recht lange gehalten. Das liegt daran, daß das spröde Material eine vorsichtige Behandlung erforderlich macht. Es bedurfte erst besonders sorgfältiger Konstruktionen, bevor der mechanische Webstuhl sich einführen konnte. Die Taschentuchweberei, bei der teilweise sehr feine Garne zur Verarbeitung kommen, widerstand am längsten dem mechanischen Webstuhl. Aber heute ist auch dieses Gebiet erobert. Von Wichtigkeit für die Leinenweberei sind die Vorrichtungen zum Mustern, also die Schaft- und Jacquardmaschinen. Hier hat der Maschinenbau unter deutschem Einfluß sehr sinnreiche Verbesserungen zutage gefördert. Zu erinnern wäre an die vielen Vorkehrungen zur Verminderung der Kartenzahl und zur Verbilligung des Kartenmaterials. Bei den Schaftmaschinen hat die hölzerne Stiftkarte und bei den Jacquardmaschinen die Verdolmaschine, die mit Papierkarten arbeitet, den Sieg errungen. Mit den Jacquardmaschinen hängen die Kartenbindemaschinen und die mechanischen Kartenschlag- und Kopiermaschinen eng zusammen. Zu den Kartenspareinrichtungen ist ferner die mechanische Damastmaschine zu rechnen, die das bei der Handweberei übliche Kreuzfach, das ein langsames Arbeiten bedingt, beseitigt hat.

Bei der Appretur der leinenen Waren ist es gelungen, die schwerfälligen und teuren Kastenmangeln durch hydraulische Mangeln, die auch wenige Bedienung benötigen, zu ersetzen. Solche Maschinen mit einem Drei- oder Vierkaulenrevolver werden vorbildlich den Firmen Weisbach in Chemnitz und Gebauer in Charlottenburg gebaut und sind in der ganzen Welt berühmt. Die Beetle-Maschinen haben sich zur Milderung des beim Kalandern entstehenden Speckglanzes immer mehr eingeführt und sind wesentlich verbessert worden, so z. B. durch die Chasing-Einrichtung.

Wollindustrie.

Die deutsche Wollindustrie hatte lange Zeit und teilweise noch heute mit dem Vorurteil zu kämpfen, daß sie hinsichtlich der Qualität der Waren nicht so leistungsfähig sei wie die englische. Richtig ist hierbei, daß in England allerdings einige vorzügliche Wollsorten gezüchtigt werden, die dem Auslande nur in beschränktem Umfange zur Verfügung stehen. Im übrigen ist aber

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 606. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/169&oldid=- (Version vom 19.2.2017)