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der Industrie möglich ist. Die Statistik zeigt nämlich, daß diese in steigendem Maße den Bevölkerungszuwachs aufgenommen hat. Aus der nachstehenden Übersicht geht dies deutlich hervor:

Berufsabteilungen.
a) = absolute Zahl
b) = Prozentziffer
Berufsbevölkerung überhaupt Erwerbstätige im Hauptberuf
1907 1895 1882 1907 1895 1882
A. Landwirtschaft
Gärtnerei u. Tierzucht
a) 17 681 176 18 501 307 19 225 455 9 883 257 8 292 692 8 236 496
b) 28,65 35,74 42,52 32,69 36,19 43,38
B. Bergbau, Industrie
Bauwesen
a) 26 386 537 20 253 241 16 058 080 11 256 254 8 281 220 6 396 465
b) 42,75 39,12 35,51 37,21 36,14 33,69
C. Handel und
Verkehr
a) 8 278 239 5 966 846 4 531 080 3 477 626 2 338 511 1 570 318
b) 13,42 11,52 10,02 11,50 10,21 8,27
D. Häusliche Dienste
Lohnarbeit
a) 792 748 886 807 938 294 471 695 432 491 397 582
b) 1,28 1,71 2,07 1,56 1,89 2,10
E. Militär-, Staats-, Gemeinde-
usw. Dienst
a) 3 407 126 2 835 014 2 222 982 1 738 530 1 425 961 1 031 147
b) 5,53 5,48 4,92 5,75 6,22 5,43
F. Ohne Beruf und
Berufsangabe
a) 5 174 703 3 327 069 2 246 222 3 404 983 2 142 808 1 354 486
b) 8,38 6,43 4,97 11,26 9,35 7,13
Zusammen: 61 720 529 51 770 284 45 222 113 30 232 345 22 913 683 18 986 494

Von 1882–1907 (der letzten Berufszählung) haben demnach die hauptberuflich Erwerbtätigen um 11,2 Mill. zugenommen. Davon fielen auf die Landwirtschaft 1,6, auf Industrie und Handel hingegen 6,7 Mill. Noch ungünstiger wird das Verhältnis, wenn die Berufsbevölkerung überhaupt zugrunde gelegt wird. Der Anteil der Landwirtschaft ist sogar absolut zurückgegangen, von 19,2 auf 17,6 Mill. Menschen, d. i. von 42 auf 28%. Industrie und Handel hingegen haben ihre Beteiligung von 20,5 auf 34,5 Mill. steigern können, d. h. von 45 auf 55% der Gesamtbevölkerung.

Die Bedeutung der Landwirtschaft.

Unterliegt es somit keinem Zweifel, daß es in erster Linie die Industrie gewesen ist, die den zuwachsenden Bevölkerungsteilen Unterkunft verschafft hat, so würde es doch auf eine vollständige Verkennung der Wesensbedingungen des deutschen Sozial- und Wirtschaftslebens hinauslaufen, wenn daraus etwa gefolgert würde, daß die Landwirtschaft für Deutschland von minderem Werte sei. Das Gegenteil ist richtig. Für die Beschaffung von Nahrungsmitteln in Deutschland ist dessen eigene Landwirtschaft immer noch der ausschlaggebende Faktor, wie weiter unten darzulegen sein wird. Aber nicht hierum allein handelt es sich. Wichtig ist auch, daß die landwirtschaftliche Bevölkerung die fortdauernde Regeneration der Gesamtbevölkerung zum mindesten in physischer (und wohl auch in moralischer) Beziehung sichert. Hierzu kommt, daß die deutsche Industrie, wenn sie, wie die englische, der inneren, durch die Landwirtschaft bedingten Kaufkraft entbehrte, weniger gut fundiert und den Folgewirkungen internationaler Krisen viel stärker ausgesetzt wäre, als es zurzeit der Fall ist. Sehr erheblich ist endlich, daß die Entwicklungstendenzen in der landwirtschaftlichen Betriebsform (im Gegensatz zur Industrie) zum Mittel- und Kleinbetrieb drängen, der sich gegenüber dem Großbetrieb als durchaus lebensfähig erweist,

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 698. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/261&oldid=- (Version vom 20.8.2021)