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an See und Fluß, sich niederließ, zieht ins Innere des Landes, und im Kleinhandel entstehen Betriebe, die den Absatz in der Ferne suchen, die sogenannten Versandgeschäfte. Im großen und ganzen kann man sagen, daß der Großhandel freier in der Wahl des Standortes ist als der Kleinhandel.

Der Großhandel, der mit dem Außenhandel mannigfache Berührungspunkte hat, ähnelt diesem auch insofern, als die Bemängelungen, die von berufener und mehr noch von unberufener Seite dem Handelsgewerbe gewidmet werden, ihn im allgemeinen verschonen. Der Ehrentitel der Produktivität, den man dem Kleinhandel für gewisse Fälle abzusprechen beliebt, wird ihm in der Regel nicht vorenthalten. Sobald es sich dabei nicht um unklare Gefühlsäußerungen handelt, ist es die bereits erwähnte Eigenart des Großhandels, die ihm die freundlichere Beurteilung sichert. Sein Wirken schließt sich in so starkem Grade dem realen Bedürfnis an, sein Werden und Vergehen, sein Wachstum und sein Rückgang sind so sehr den Zufälligkeiten entrückt, daß es hier, wie schon ein kurzer Blick zeigt, für die Bildung ungesunder Zustände an dem Nährboden mangelt.

Hilfsanstalten des Handels.

Von Einrichtungen, die in früheren Zeiten dem Handel, insbesondere dem Großhandel, Hilfsdienste leisteten, ist nur eine beschränkte Zahl in die Jetztzeit übergegangen, und auch unter diesen befinden sich einige, die den Anschein erwecken, als seien sie dem allmählichen Untergange geweiht. Es gilt dies von den Märkten und Messen, deren Ruhm aus fernen Zeiten herüberleuchtet, die aber großenteils nur ein kümmerliches Dasein führen. Die Märkte in Form der Jahr- und Wochenmärkte bringen in das Gewebe des alltäglichen Lebens, namentlich soweit es sich in Vorstädten, Kleinstädten und auf dem platten Lande vollzieht, noch immer einen bunten Einschlag, aber ihre allgemein wirtschaftliche Bedeutung ist dahin. Die Messen, die ehedem die vornehmste Erscheinungsform des Großhandels bildeten, haben sich nur an einigen wenigen Plätzen – voran steht Leipzig – und für besondere Warenklassen (Pelzwerk, Erzeugnisse der Buchdruckerei pp.) erhalten.

Von größerer Wichtigkeit für den Großhandel sind die Börsen, die Märkte, auf denen die Kaufleute zusammenströmen, um Handelsgeschäfte über Wertpapiere und Waren abzuschließen. Nach den Gegenständen, die dort gehandelt werden, pflegt man Effekten- und Produktenbörsen zu unterscheiden. Die Bedeutung der Effektenbörsen erschöpft sich nicht in den Diensten, die sie dem Handel leisten, sie sind ein unentbehrliches Instrument der Wirtschaft im ganzen. Ihre Verfassung mag wandelbar sein, und es liegt nicht außer dem Bereiche der Möglichkeit, daß durch andere Formen der wirtschaftlichen Organisation im Laufe der Zeit und auf gewissen Gebieten ein Ersatz für die heutigen Effektenbörsen geschaffen werde, aber immer wird die Notwendigkeit für das Bestehen großer Märkte vorliegen, auf denen sich der Verkehr in Wertpapieren nach festen Normen vollzieht.

Anders steht die Sache der Warenbörsen, die ebenfalls ein Instrument des Großhandels sind, obwohl hier nicht eine scharfe Scheidung vom Kleinhandel betont werden soll. Die Zahl der deutschen Städte, in denen Warenbörsen bestehen, beträgt 17; es sind

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 718. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/281&oldid=- (Version vom 20.8.2021)