Seite:Deutschland unter Kaiser Wilhelm II Band 2.pdf/282

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

dies die 8 preußischen Plätze Berlin, Magdeburg, Stettin, Danzig, Königsberg, Elbing, Köln und Koblenz, die 3 sächsischen Plätze Dresden, Leipzig und Chemnitz, die 3 Hansestädte, endlich Stuttgart, Mannheim und Straßburg. Zu diesen Börsen treten noch mehrere börsenartige Gebilde. Nimmt man die Hamburger Börse aus – an ihr werden Waren verschiedenster Art gehandelt, auch Fracht-, Versicherungsgeschäfte usw. abgeschlossen – so kann festgestellt werden, daß die deutschen Warenbörsen sich in der Hauptsache auf die Regelung des Verkehrs in Getreide und sonstigen landwirtschaftlichen Erzeugnissen beschränken. Sie kommen also für den weitaus überwiegenden Teil des Handels nicht in Betracht. Man kann sie als Märkte mit feinerer Organisation bezeichnen, wobei zu beachten ist, daß sich die Grenze zwischen ihnen und gewöhnlichen, loser geordneten Märkten leicht verwischt. Der Terminhandel, diese eigenartige Erscheinung des Börsenverkehrs, ist in beachtenswertem Umfange nur an einigen Plätzen vertreten, nämlich in Berlin, Hamburg und Bremen, und zwar für Kaffee, Zucker, Rüböl und Baumwolle.

Produktivität des Binnenhandels.

Die Frage, in welchem Maße der Binnenhandel produktiv sei, hat in der öffentlichen Erörterung von jeher einen breiten Raum eingenommen. Die Praxis hat sich allerdings um die theoretischen Untersuchungen wenig gekümmert, die Wucht der Tatsachen hat dem Handel die Stellung zugewiesen, die ihm als notwendigem Bestandteil der Wirtschaftsorganisation zukommt.

Die volkswirtschaftliche Bedeutung eines Berufszweiges richtig einzuschätzen, ist eine ebenso schwierige wie notwendige Aufgabe: notwendig deshalb, weil die Wirtschaftspolitik, die nicht die Bevorzugung einzelner Interessen, sondern den Ausgleich der verschiedenen Strömungen des gewerblichen Lebens zum Ziel hat, ohne die Abwägung der die Bedarfsbefriedigung besorgenden Kräfte nicht eine Hebung, sondern eine Hemmung der Gesamtwirtschaft herbeiführen würde; schwierig deshalb, weil die Rechnung, deren Endsumme die Bedeutung des Berufszweiges erkennen lassen soll, aus zahllosen Posten besteht und weil die sonst übliche Methode der Abwägung bei einem Teil dieser Posten, den sogenannten Imponderabilien, völlig versagt. Ganz besonders gilt dies für den Versuch, die Bedeutung des Handels festzustellen.

Die Frage, welche Stellung ein Berufszweig im Gesamtrahmen der Volkswirtschaft einnimmt, gliedert sich in die zwei Fragen:

Welche Dienste leistet er bei der allgemeinen Bedarfsbefriedigung?
In welchem Umfange dient er als Nahrungsgewerbe für eine begrenzte Klasse von Personen, nämlich für die in ihm tätigen?

Die erstbezeichnete Frage kann hier kurz abgetan werden. Je komplizierter das Wirtschaftswesen ist, um so weniger entbehrlich ist eine Organisation, die der aus der Produktion quellenden Gütermenge den Abfluß bahnt. Wir wollen hier nur einen einzigen Punkt berühren, der für den heutigen Stand des Wirtschaftslebens von höchster Wichtigkeit ist. Ohne einen leistungsfähigen Handel, der die erzeugten Güter aufnimmt und die Vorratshaltung besorgt, würden die produzierenden Gewerbe, insbesondere Industrie und Landwirtschaft, aus einer Krisis in die andere taumeln.

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 719. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/282&oldid=- (Version vom 20.8.2021)