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des Deutschen Reiches nur um etwa 30%. Es will dies besagen, daß der Kreis der Kunden, die vom Handelsgewerbe bedient werden, pro Kopf des in diesem Gewerbe beschäftigten Personals von 50 auf etwa 30 sank.

Eine Untersuchung darüber, ob in solcher Wandlung die Anzeichen einer Überfüllung des Handelsgewerbes zu erblicken sei, ist wohl angebracht. Die Tatsache, daß das Handelsgewerbe heute verhältnismäßig mehr Köpfe zu ernähren hat als vor einem Menschenalter, ist nach obiger Statistik nicht abzustreiten. Es fragt sich nur, ob nicht die Vermehrung der Kopfzahl eine notwendige Folge der Erweiterung des Aufgabenkreises des Handelsgewerbes gewesen ist.

Für die Beantwortung dieser Frage ist folgendes von Wichtigkeit. Die Zahl der Betriebe betrug im Handelsgewerbe:

i. J. 1882   482 125
i. J. 1895 578 497
i. J. 1907 667 238

Die Steigerung stellte sich darnach in den letzten 25 Jahren auf 37% und ging nur um ein Geringes über den Prozentsatz der Volksvermehrung hinaus. Man kommt angesichts dessen zu dem Ergebnis, daß, wenn der Maßstab des Bevölkerungsstandes zugrunde gelegt wird, die Zahl der Neuetablierungen im Kaufmannsstande während des erwähnten Zeitraumes im allgemeinen normal geblieben ist. Dagegen hat sich in diesen Beruf ein breiter, stets wachsender Strom von Handlungsgehilfen und Arbeitern ergossen. Es wurden im Handelsgewerbe beschäftigt:

  Angestellte   Arbeiter
i. J. 1882 74 446 283 698
i. J. 1895 141 399 485 238
i. J. 1907 268 386 804 286

Man hat es also mit Steigerungen zu tun, die über 200% hinaus schwanken.

Aus diesen Aufstellungen geht hervor, daß zugleich mit der normalen Vermehrung der kaufmännischen Betriebe die Ausstattung dieser Betriebe mit kaufmännischem Personal in überaus starkem Umfange erfolgte. Hier stößt man auf einen Gegensatz zur Industrie. In der Industrie ist ebenfalls die Zahl der Angestellten und Arbeiter mächtig angeschwollen – sie stieg in den letzten 25 Jahren auf reichlich das Doppelte –, aber Hand in Hand mit der Vermehrung vollzog sich eine Konzentration innerhalb der industriellen Gewerbe, die dahin führte, daß die Zahl der Betriebe sich um 10% verminderte.

Das gewaltige Heer neuer Arbeitskräfte konnte in der Industrie trotz der Ausschaltung einer erheblichen Reihe von Betrieben Unterkunft finden, weil der Typ der großen Unternehmung vorherrschend wurde. Auch im Handelsgewerbe war die Tendenz zum Großbetrieb zu beobachten; zahlreichen Spezialgeschäften gelang es, ihren Absatz weit über die früheren Grenzen auszudehnen, und neben ihnen entstanden die Riesenbetriebe der Warenhäuser. Diese Großunternehmungen waren imstande, einen beträchtlichen Teil der Arbeitskräfte, die sich den kaufmännischen Betrieben zur Verfügung

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 721. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/284&oldid=- (Version vom 20.8.2021)