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hier verknüpft sich, wie so oft, Ursache und Wirkung eng; aber man wird den deutschen Banken und ihren Leitern das Zeugnis nicht versagen dürfen, daß sie mit zäher Beharrlichkeit diesem Ziel, Förderung der gesamten Volkswirtschaft, nachgestrebt haben. Mag auch Gesetzgebung und Technik einen ganz erheblichen Anteil an dieser Entwicklung für sich in Anspruch nehmen, bestritten kann doch nicht werden, daß es schließlich kühner Kaufmannsgeist gewesen ist, der den Dingen ihren Lauf gab. Alle Fortschritte einer genialen Technik, alle Verbesserungen im Verkehrswesen würden niemals das stolze Gebäude des deutschen Wirtschaftslebens haben errichten können ohne diesen starken kommerziellen Geist. Und wenn an der Peripherie die Räder surren, die Maschinen rattern, wenn dort die Eisenbahnzüge sausen und Schiffe fahren – bewegt, nutzbar bewegt wird alles doch nur durch den Kaufmann, der einsam in seinem Kontor die Fäden spinnt, Menschen und Dinge nach seinem Winke leitet. Das muß immer wieder hervorgehoben werden, wenn man vom deutschen Bankwesen spricht. Vielleicht hat man sich nicht immer und überall von einer etwas kurzsichtigen Dividendenpolitik ferngehalten; vielleicht hat man bei der Empfehlung der Effekten für das anlagesuchende Publikum nicht immer mit der nötigen Vorsicht und Objektivität verfahren; vielleicht war man bei dem Emissionsgeschäft nicht immer bestrebt, Augenblickserfolge zu vermeiden und nur wirtschaftlich nützliche Werte an den Markt zu bringen. Zweifel können erhoben werden, ob die Währungs- und Diskontpolitik unseres Zentralinstituts bei den Banken immer unbedingte Förderung gefunden hat, und ob letztere bei der Kreditgewährung, namentlich an die Industrie, nicht manchen Fehler gemacht haben; fraglich mag endlich sein, ob in den Geschäften mit Grund und Boden die Banken die großen volkswirtschaftlichen Gesichtspunkte immer genügend berücksichtigt haben. Aber so viel steht jedenfalls fest, daß in den wichtigsten Zweigen unseres nationalen Wirtschaftslebens die Banken produktiv gearbeitet und auf der Höhe ihrer Aufgabe gestanden haben. Die Staaten und alle Organe der Selbstverwaltung, Provinzen, Kreise, Städte und Gemeinden sind bei ihren Kreditbedürfnissen von den Banken unterstützt worden, und die Entwicklung, namentlich unseres deutschen Städtewesens, wäre ohne die verständnisvolle Mitwirkung der Finanzwelt kaum denkbar gewesen. Vollbahnen und Kleinbahnen, elektrische Zentralen, Häfen, Chausseen, Schiffe, Bergwerke sind von der deutschen Bankwelt finanziert und dadurch erst ermöglicht worden. Und nicht nur im Innern ist so unsere gesamte wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung mit der Tätigkeit der Banken verknüpft; gerade auch für die Weltstellung Deutschlands haben diese mit allen Mitteln und in den verschiedensten Rüstungen gekämpft. Wenn heute der deutsche Handel in der ganzen Welt sich ausbreitet und Achtung genießt, so ist das unbestritten und unbestreitbar eine Folge weitblickender deutscher Bankpolitik. Die Banken haben an wichtigen Stellen des Erdballs im Auslande Stützpunkte errichtet durch Tochterbanken und anderweitige Filialinstitute. Sie haben mit deutschem Gelde im Auslande großartige industrielle Unternehmungen finanziert, die ihren deutschen Charakter bewahrt haben; und durch Förderung der Seeschiffahrt und der überseeischen telegraphischen Kabel haben sie eine dauernde und organische Verbindung aller dieser Unternehmungen mit der Heimat

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 734. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/297&oldid=- (Version vom 20.8.2021)