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wurde in Deutschland die Bankkonzentration durch die in der Industrie sich durchsetzende Ära der industriellen Kartelle und Syndikate, unter denen namentlich das Kohlensyndikat und der Stahlwerksverband eine führende Rolle spielten; ja, diese Industriekonzentration machte die der Banken insofern notwendig, als für die neuen riesigen Fusionen und Kombinationen auch wieder riesige Kapitalmittel erforderlich wurden.

Die Konzentration selber vollzog sich, wie gesagt, in verschiedenen Formen und auf verschiedenen Wegen, aber immer mit der Wirkung, daß die Macht des in den Banken arbeitenden Kapitals quantitativ und qualitativ vermehrt wurde, und merkwürdigerweise waren es gerade die Zeitläufe nach starken Wirtschaftskrisen, die das Anschwellen der Kapitalien gefördert haben, was psychologisch leicht zu erklären ist. Während einer Krisis empfindet der Schwächere und Kapitalärmere seine Schwäche am ehesten und wird gerade nach Überwindung der Krisis am leichtesten geneigt sein, Umschau zu halten nach einem Stärkeren, dem er sich angliedern, und unter dessen Schutz er sich stellen könnte. Hier ist auf wirtschaftlichem Gebiet ein ähnlicher Vorgang zu verzeichnen, wie er auf politischem und sozialem Gebiet in der Geschichte des deutschen Mittelalters sich so oft abgespielt hat. Während der letzten 25 Jahre war es namentlich die Zeit nach der Krisis von 1901, in der sich die Konzentrationsbewegung mit einer geradezu unheimlichen Schnelligkeit geltend machte, wozu gewisse Ereignisse in Amerika, die stark auf die kontinentalen Anschauungen einwirkten, den Anstoß gaben. Denn gerade damals hatte sich in Amerika der ungeheure Stahltrust zusammengeschlossen mit einer bisher noch nie dagewesenen Kapitalkraft von mehr als einer Milliarde Dollar. Diese Trustbildung hatte in Deutschland ein gewisses Angstgefühl ausgelöst und überall auch in den Köpfen der Finanz- und Handelswelt die Überzeugung erweckt, daß nur starke und große Kapitalsmächte der Herrschaft Amerikas würden Widerstand leisten können. Zu vergessen ist auch nicht, daß die Gesetzgebung in Deutschland zu ihrem Teil zur Schwächung der schwachen und zur Stärkung der starken Finanzkräfte beigetragen hat. Die Reichsbankstempelgesetze von 1894 und 1900 und das im Jahre 1897 eingeführte Börsengesetz haben die Stellung der Einzelbankiers, namentlich in der Provinz, ganz wesentlich erschwert. Die Konkurrenzfähigkeit gegen die Großen hörte auf, da die letzteren bei den Unkosten ganz erheblich sparen konnten, und auf der anderen Seite waren lohnende und wirtschaftsnützliche Zweige der provinzialen Arbeitskräfte, namentlich die Arbitrage, durch die Veränderung in der Gesetzgebung so gut wie unmöglich geworden. Die führenden Berliner Großbanken gliederten sich im Lauf der Jahre eine Reihe provinzieller Bankinstitute an und bildeten dadurch wichtige und mächtige Gruppen innerhalb der deutschen Finanzwelt. So beträgt beispielsweise die Summe der Aktienkapitalien plus Reserven bei der Gruppe der Deutschen Bank mehr als eine Milliarde Mark. Ähnlich, wenn auch finanziell nicht so bedeutend, sind die Gruppen der Diskonto-Gesellschaft, der Dresdner Bank und andere. Und das Kapital der Deutschen Bank, das im Gründungsjahre 1870 15 Millionen betrug, ist heute 200 Millionen, ebenso hoch beläuft sich heute das der Diskonto-Gesellschaft, das im Gründungsjahre 1851 30 Millionen betrug, und auch die Dresdner Bank mit 9,6 Millionen im Gründungsjahre 1872 hat heute bereits 200 Millionen Kapital. Die Konzentration wählte übrigens noch andere Wege als

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 741. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/304&oldid=- (Version vom 20.8.2021)