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und daß ihre Barmittel 3¼% ihrer Depositen betragen. Bei 62 Banken mit einem Aktienkapital von 300 000 M. bis 1 Million M. stellt sich das Verhältnis so, daß die Depositen und Spareinlagen das Dreieindrittelfache des Kapitals und der Reserven ausmachen, und daß die Barmittel etwa 9½% der Depositen darstellen. Bei 45 Banken dagegen von größerer Bedeutung ist das Verhältnis ein wesentlich anderes; hier betragen die Barmittel 30% der Depositen, und letztere übersteigen nicht etwa, wie bei den kleinen Banken, das Kapital um ein Vielfaches, sondern stellen nur 66% des verantwortlichen Kapitals dar. Es ist deshalb mit Recht gefordert worden, daß gerade die kleinen Banken nicht nur von der Reichsbank, sondern auch von den größeren und großen Banken dauernd kontrolliert werden, und daß so versucht werden soll, in erzieherischem Sinne auf sie einzuwirken. Es liegt im Interesse der Reichsbank sowohl als der privaten Großbanken, daß auch bei den kleinen und kleinsten Bankinstituten Zusammenbrüche vermieden werden; denn jeder solche Vorfall wirkt höchst beunruhigend und schädigend und kann leicht, zunächst in lokalen Kreisen, Paniken und Runs hervorrufen, deren Folgen für das Geschäftsleben manchmal verhängnisvoll sind. Es ist deshalb auch nur zu begrüßen, daß bei einzelnen drohenden Zusammenbrüchen in den letzten Jahren sich die Großbanken wenigstens zu teilweiser Befriedigung der kleinen Depositengläubiger zusammengeschlossen haben. Und man hat gerade aus dem Kreise der Hautebanque heraus wiederholt der Reichsbank eine möglichst strenge Prüfung des von den Banken eingereichten Wechselmaterials dringend empfohlen, was doch beweist, daß die Bankwelt die Kontrolle eines berufenen, sachkundigen, mitten im Wirtschaftsleben stehenden Organs, wie die Reichsbank, nicht nur zurückweist, sondern sogar lebhaft wünscht.

Diskontgeschäft. Reichsbank.

Überhaupt aber ist die Entwicklung unseres Bankwesens mit der Institution der Reichsbank eng verknüpft, und man vermag schwer in das Innere des Bankwesens einzudringen ohne eine genauere Kenntnis der Natur unseres Zentralinstituts. Denn ein besonders wichtiger Zweig des Bankgeschäftes ist und bleibt die Wechseldiskontierung, und alles, was direkt oder indirekt mit dem Diskontgeschäft und der Diskontpolitik zusammenhängt, führt wiederum unmittelbar zur Reichsbank. Wir hatten oben die Organisation des englischen und französischen Zentralnoteninstituts kurz beleuchtet und gesehen, daß die deutsche Reichsbank ungefähr zwischen beiden steht. Bei ihr braucht nur ein Drittel der Noten in bar gedeckt zu sein, womit sie sich mehr dem französischen System nähert. Gerade in Zeiten starker Anspannung kann sich das Institut mit einer geringeren als der üblichen Notendeckung begnügen und die Zahlungsmittel nach Bedarf vermehren, aber – und hier nähert sie sich wieder mehr dem englischen Currency-Prinzip – sie muß eine Notensteuer an das Reich abführen, sobald die ungedeckten Noten eine bestimmte, ein für allemal festgesetzte Summe überschreiten. Hierdurch soll die Reichsbank gezwungen werden, den Diskont zu erhöhen, wenn die Anspannung eine bestimmte Grenze überschreitet, da sie anderenfalls mit positivem Verlust arbeiten müßte. Nun sind natürlich diese Vorschriften der Bankverfassung für die Diskontpolitik der Reichsbank

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 748. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/311&oldid=- (Version vom 20.8.2021)