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Privatdiskont.

Aber die Vorwürfe, die man namentlich in Deutschland den Großbanken so häufig gemacht hat, daß sie die Diskontpolitik der Reichsbank grundsätzlich und absichtlich durchkreuzen, und daß sie den Privatdiskont – das ist der Marktdiskont, der für sogenannte Primadiskonten im offenen Geldmarkt an der Börse gezahlt wird – künstlich herniederdrücken, sind im wesentlichen unbegründet. Die Spannung zwischen dem Privatdiskontsatz und dem Reichsbanksatz beruht auf mannigfachen Gründen, die darzulegen den Rahmen dieses Aufsatzes überschreiten würde; aber fest steht doch wohl, daß die Großbanken ein lebhaftes Interesse haben, daß der Privatdiskont sich möglichst wenig vom jeweiligen Bankdiskont entfernt, denn die Banken bestimmen den Zins, den sie auf ihre Depositen zu zahlen haben, im wesentlichen nach der Höhe des jeweiligen Reichsbankdiskonts, während sich ihre Zinseneinnahmen aus Wechsel, Lombards und Reports häufig nach dem Marktzins berechnen. Ist außerdem die Spannung zwischen Reichsbank- und Privatdiskont eine überdurchschnittliche, so würde die Kundschaft jederzeit rasch geneigt sein, den billigeren Akzeptkredit auszunutzen, was banktechnisch keineswegs immer erwünscht ist. Die Gegner unserer Bankpolitik berufen sich mit Vorliebe auf Frankreich, vergessen dabei aber, daß bei uns für die Bildung des Privatdiskontsatzes ein viel stärkeres Angebot und Nachfrage vorhanden ist als in Frankreich, wo es an der Fülle von Diskontabnehmern durchaus fehlt. Die Reichsbank hat ferner bei der Festsetzung des Diskonts vor allem auf die Erhaltung unserer Währung Rücksicht zu nehmen und an tunlichste Aktivität unserer Zahlungsbilanz zu denken, die sich am besten in den Wechselkursen ausspricht; und endlich werden ja in dem weit geschäftsfreudigeren Deutschland die Kreditansprüche von Handel und Industrie in erster Linie von den Kreditbanken selbst befriedigt; die Reichsbank kommt erst in zweiter Linie als Diskontör in Betracht. Auch dadurch ergibt sich eine größere Spannung zwischen Marktdiskont und Reichsbankdiskont als in einem Lande, wo das Diskontgeschäft im wesentlichen in den Händen des Zentralinstituts liegt. Jedenfalls wird man wahrheitsgemäß sagen können, daß die Großdiskontöre in Deutschland sich bei der Normierung des Privatsatzes stets in möglichst enger Fühlung mit der Reichsbank gehalten, und daß sie hierbei die Rücksichten auf Verdienst hinter die allgemeinen Gesichtspunkte der Wirtschaftspolitik zurückzustellen verstanden haben.

Diskontpolitik.

Im Wesen der Diskontpolitik liegen gewisse Schwierigkeiten. Während der Privatdiskontör sich nach Angebot und Nachfrage zu richten hat und richtet, müssen die Zentralbanken auf die Tendenzen der Volkswirtschaft, auf die internationalen Handelsmärkte Obacht geben und sich unter Umständen entschließen, in die Freiheit der wirtschaftlichen Kräfte einzugreifen und bei ihren Maßnahmen die Rücksichten auf die allgemeine Wohlfahrt, insbesondere auf die Aufrechterhaltung der Währung entscheiden lassen. Hierbei hat man gerade in den letzten Jahrzehnten zu Mitteln gegriffen, die auch für das Verhältnis der Privatbanken zum Zentralinstitut wichtig sind. Die Banken haben sich häufig für den Import von Gold interessiert, wofür sie bei uns seit 1879 zinsfreie Vorschüsse von der Reichsbank erhalten,

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 751. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/314&oldid=- (Version vom 20.8.2021)