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Gutachten über Fragen zu unterstützen, die die Verhältnisse des Handwerks berühren; 4. Wünsche und Anträge, die die Verhältnisse des Handwerks berühren, zu beraten und den Behörden vorzulegen, sowie Jahresberichte über ihre die Verhältnisse des Handwerks betreffenden Wahrnehmungen zu erstatten; 5. die Bildung von Prüfungsausschüssen zur Abnahme der Gesellenprüfung; 6. die Bildung von Ausschüssen zur Entscheidung über Beanstandung von Beschlüssen der Prüfungsausschüsse. Da die Handwerkskammer in allen wichtigen, die Gesamtinteressen des Handwerks oder die Interessen dessen einzelner Zweige berührenden Angelegenheiten gehört werden soll, so ist sie berufen, bei allen gesetzlichen Maßnahmen für das gewerbliche Leben eine bedeutsame Rolle zu spielen. Sie ist befugt, Veranstaltungen zur Förderung der gewerblichen, technischen und sittlichen Ausbildung der Meister, Gesellen und Lehrlinge zu treffen (Einrichtung von Meisterkursen, Ausstellungen usw.), sowie Fachschulen zu errichten und zu unterstützen. Die Innungen und Innungsausschüsse sind verpflichtet, den von der Handwerkskammer innerhalb ihrer Zuständigkeit erlassenen Anordnungen Folge zu leisten. Die Landes-Zentralbehörde hat für die Handwerkskammer ein Statut zu erlassen, das öffentlich bekannt zu machen ist. Die Handwerkskammer hat aus ihrer Mitte einen Vorstand zu wählen, dem die laufende Verwaltung und Geschäftsführung obliegt; einzelne wichtige Aufgaben bleiben der Beschlußfassung der Gesamtheit der Handwerkskammer vorbehalten. Neben den Vertretern der Meister ist bei der Handwerkskammer ein Gesellenausschuß zu bilden, der mitwirken muß: 1. beim Erlasse von Vorschriften, die die Regelung des Lehrlingswesens zum Gegenstande haben; 2. bei Abgabe von Gutachten und Erstattung von Berichten über Angelegenheiten, die die Verhältnisse der Gesellen und Lehrlinge berühren; 3. bei der Entscheidung über Beanstandung von Beschlüssen der Prüfungsausschüsse betr. die Gesellenprüfung der Lehrlinge. Die Handwerkskammern unterliegen der Aufsicht der höheren Verwaltungsbehörde; diese bestellt einen ständigen Kommissar zur Überwachung. Die aus der Errichtung und Tätigkeit der Handwerkskammer erwachsenden Kosten werden von den Gemeinden des Bezirks getragen, die aber die auf sie entfallenden Anteile auf die einzelnen Handwerksbetriebe umlegen können. Die Behörden sind verpflichtet, den im Vollzug dieses Gesetzes an sie ergehenden Ersuchen der Handwerkskammern zu entsprechen.

Ausbildung der Lehrlinge.

Außer der Organisation des Handwerks regelt das Handwerkergesetz besonders die Erziehung und Ausbildung der Lehrlinge, wodurch die bisherigen Bestimmungen für Industrie und Handwerk gemeinsam wesentlich abgeändert werden. Zunächst bringt es Vorschriften über Lehrrecht, das nur ehrbaren Personen zusteht, über Lehrvertrag, Pflichten des Lehrherrn und des Lehrlings, Probezeit, Kündigung und Entlassung, Lehrzeugnis, Vertragsbruch und Lehrlingszüchterei, die für alle gewerblichen Lehrlinge gelten. Dann folgen verstärkte Vorschriften für die Handwerksbetriebe. Danach steht seit dem 1. April 1901 die Befugnis zur Anleitung von Lehrlingen nur denjenigen Personen zu, die das 24. Lebensjahr vollendet und entweder eine Lehrzeit von 3 Jahren und die Ablegung der Gesellenprüfung nachweisen konnten, oder aber das Handwerk

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 784. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/347&oldid=- (Version vom 20.8.2021)