Seite:Deutschland unter Kaiser Wilhelm II Band 2.pdf/364

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Die größte Schwierigkeit liegt in der Notwendigkeit der Abgrenzung der einzelnen Gewerbe voneinander. Da viele Handwerke ineinander übergehen, ist eine genaue Abgrenzung der Arbeitsbefugnisse, die den einzelnen Gewerben zustehen, äußerst schwer durchzuführen. In Österreich sind denn auch solche Schwierigkeiten in zahllosen Streitigkeiten und Denunziationen zum Ausdruck gekommen. Der Befähigungsnachweis für das Handwerk würde auch, wie es in Österreich schon geschehen ist, die Einführung eines solchen für den Kleinhandel zur Folge haben. So hat unsere deutsche Gesetzgebung mit den Vorschriften über den Schutz des Meistertitels und der Einführung des kleinen Befähigungsnachweises wohl mehr das Richtige getroffen, als die österreichische mit dem Verwendungsnachweis. Dem deutschen Handwerk kann nur geraten werden, die Jagd nach dem großen Befähigungsnachweis als eine Utopie einzustellen.

Submissionswesen.

Besonders lebhaft sind seit Jahren die Klagen der Handwerker über die Schäden des Submissionswesens, und eine gesetzliche Regelung wird sogar vielfach als eine Existenzfrage für das Handwerk bezeichnet. Namentlich wird bemängelt die Zuschlagserteilung an einen der Mindestfordernden, infolgedessen entweder die Güte der Arbeit eine geringere werde oder der Unternehmer bei der Ausführung Schaden erleide, ferner die nicht genügende Berücksichtigung der ortsansässigen Handwerker und die Ausschreibung in zu großen Losen, die den kleinen Handwerker von vornherein ausschließe. In den letzten zehn Jahren hat besonders die preußische Regierung sich bemüht, diese Schäden möglichst abzustellen. 1905 erschien ein Erlaß des Ministers der öffentlichen Arbeiten über die Allgemeinen Bestimmungen betr. die Vergebung von Leistungen und Lieferungen im preußischen Staat, der u. a. vorschreibt: „Bei der Auswahl der Unternehmer ist nach Möglichkeit zu wechseln, auch sind die ortsangesessenen Gewerbetreibenden vorzugsweise zu berücksichtigen. Die Ausschreibungen sind tunlichst derart zu zerlegen, daß auch kleineren Gewerbetreibenden und Handwerkern die Beteiligung an der Bewerbung ermöglicht wird. Für die Ausführung sind ausreichend bemessene Fristen zu bewilligen. Die niedrigste Geldforderung als solche darf für die Entscheidung über den Zuschlag keineswegs den Ausschlag geben, sondern der Zuschlag darf nur auf ein in jeder Beziehung annehmbares, die tüchtige und rechtzeitige Ausführung der betr. Leistung oder Lieferung gewährleistendes Gebot erteilt werden. Angebote, die in einem offenbaren Mißverhältnisse zu der Leistung oder Lieferung stehende Preisforderungen enthalten, sind von der Berücksichtigung ausgeschlossen. Liegen von mehreren Handwerkern gleichwertige Angebote vor, so sind bei der Zuschlagserteilung solche Bewerber vorzugsweise zu berücksichtigen, die berechtigt sind, den Meistertitel zu führen. Im übrigen ist bei öffentlichen Ausschreibungen der Zuschlag demjenigen der drei als Mindestfordernde in Betracht kommenden Bewerber zu erteilen, dessen Angebot unter Berücksichtigung aller Umstände als das annehmbarste zu erachten ist.“ Ein 1912 im Abgeordnetenhause angenommener Antrag Hammer und Genossen bezweckt, die Bestimmungen des Erlasses von 1905 entsprechend zu ergänzen. Danach soll bei öffentlichen Ausschreibungen, für deren Ausführung auch eine handwerksmäßige Herstellung in Betracht

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 801. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/364&oldid=- (Version vom 20.8.2021)