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die Stimmungen und Strömungen im Ruhrrevier. Das Ergebnis der Untersuchung wurde in einer besonderen „Denkschrift“ niedergelegt, die dann die Unterlage für eine besondere Berggesetz-Novelle (1892) bot.

Es waren die Grundlinien eines neuen sozialpolitischen Kursus, die hier zum Ausdruck kamen, und die von der Richtung der bisherigen Führung der Reichsangelegenheiten weit abwichen. Dieser Wendung der Dinge entsprach es, wenn bald Fürst Bismarck von der Stellung als preußischer Handelsminister zurücktrat und am 31. Januar 1890 der bisherige Regierungs-Präsident in Düsseldorf, Freiherr von Berlepsch, ihm folgte.

Februar-Erlasse Kaiser Wilhelms II.

Am 25. Januar 1890 war der bisherige Reichstag geschlossen worden. Sein letzter Akt war die Ablehnung des Sozialistengesetzes. Die Neuwahlen waren ausgeschrieben zum 20. Mai 1890. Da, mitten in den Aufregungen der Wahlkämpfe, erschienen zu allgemeinster Überraschung die Erlasse unseres Kaisers.

Der erste Erlaß vom 4. Februar 1890 war an den Reichskanzler gerichtet. Er lautet:

Ich bin entschlossen, zur Verbesserung der Lage der deutschen Arbeiter die Hand zu bieten, soweit die Grenzen es gestatten, welche Meiner Fürsorge durch die Notwendigkeit gezogen werden, die deutsche Industrie auf dem Weltmarkte konkurrenzfähig zu erhalten und dadurch ihre und der Arbeiter Existenz zu sichern. Der Rückgang der heimischen Betriebe durch Verlust ihres Absatzes im Auslande würde nicht nur die Unternehmer, sondern auch ihre Arbeiter brotlos machen. Die in der internationalen Konkurrenz begründeten Schwierigkeiten der Verbesserung der Lage unserer Arbeiter lassen sich nur durch internationale Verständigung der an der Beherrschung des Weltmarktes beteiligten Länder, wenn nicht überwinden, so doch abschwächen. In der Überzeugung, daß auch andere Regierungen von dem Wunsche beseelt sind, die Bestrebungen einer gemeinsamen Prüfung zu unterziehen, über welche die Arbeiter dieser Länder unter sich schon internationale Verhandlungen führen, will Ich, daß zunächst in Frankreich, England, Belgien und der Schweiz durch Meine dortigen Vertreter amtlich angefragt werde, ob die Regierungen geneigt sind, mit uns in Unterhandlungen zu treten behufs einer internationalen Verständigung über die Möglichkeit, denjenigen Bedürfnissen und Wünschen der Arbeiter entgegenzukommen, welche in den Ausständen der letzten Jahre und anderweit zutage getreten sind. Sobald die Zustimmung zu Meiner Anregung im Prinzip gewonnen sein wird, beauftrage Ich Sie, die Kabinette aller Regierungen, welche an der Arbeiterfrage den gleichen Anteil nehmen, zu einer Konferenz behufs Beratung über die einschlägigen Fragen einzuladen.

Der zweite Erlaß von demselben Tage wendet sich an den Minister für öffentliche Arbeiten und für Handel und Gewerbe:

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 821. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/384&oldid=- (Version vom 20.8.2021)