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dann ähnliche Kongresse in Bern (1891), Mailand (1894), Brüssel (1897), Paris (1900), Düsseldorf (1902), Rom (1908), Düsseldorf (1912) folgten. – Eine internationale Konferenz der Regierungen hat noch nicht stattgefunden, wohl aber haben einzelne Staaten Verträge geschlossen, um ihren Staatsangehörigen auch bei Aufenthalt in anderen Staaten die Vorteile der dortigen Arbeiterversicherung unter Verpflichtung der Gegenseitigkeit zu sichern. Solche Verträge bestehen zwischen Deutschland und Italien (3. 7. 12), Deutschland und Belgien, Deutschland und Österreich usw.

Die Arbeiterschutzvorlage von 1890 – Verzicht auf das Sozialistengesetz.

Thronrede 1890.

Die Beratungen im Staatsrat und in der internationalen Arbeiterschutzkonferenz fanden bald ihren Niederschlag in einem umfassenden Gesetzentwurf zur Abänderung und Ergänzung der Gewerbeordnung – Arbeiterschutznovelle – vom 6. Mai 1890 und in einem Entwurf, betreffend die Errichtung von Gewerbegerichten vom 9. Mai. Der Kaiser selbst gab ihnen in der Thronrede zur Eröffnung des Reichstages am 6. Mai 1890 sein besonderes Geleitwort. Einen Teil der bedeutsamen Fragen, die der neue Reichstag einer befriedigenden Lösung entgegenführen sollte, erklärte er als so dringlicher Natur, daß es nicht tunlich erschienen sei, die Einberufung des Reichstages länger hinauszuschieben. Dahin rechnete er vornehmlich den weiteren Ausbau der Arbeiterschutzgesetzgebung. Die Thronrede fährt dann fort (S. 107–109):

„Die im Laufe des verflossenen Jahres in einigen Landesteilen vorgekommenen Ausstandsbewegungen haben Mir Anlaß gegeben, eine Prüfung der Frage herbeizuführen, ob unsere Gesetzgebung den innerhalb der staatlichen Ordnung berechtigten und erfüllbaren Wünschen der arbeitenden Bevölkerung in ausreichendem Maße Rechnung trägt. Es handelte sich dabei in erster Linie um die den Arbeitern zu gewährleistende Sonntagsruhe, sowie um die durch Rücksichten der Menschlichkeit und im Hinblick auf die natürlichen Entwicklungsgesetze gebotene Beschränkung der Frauen- und Kinderarbeit. Die verbündeten Regierungen haben sich überzeugt, daß die von dem letzten Reichstage in dieser Beziehung gemachten Vorschläge ihrem wesentlichen Inhalte nach ohne Nachteil für andere Interessen zu gesetzlicher Geltung gebracht werden können. Im Zusammenhange damit hat sich aber noch eine Reihe weiterer Bestimmungen als der Verbesserung bedürftig und fähig erwiesen. Hierhin gehören insbesondere die gesetzlichen Anordnungen zum Schutze der Arbeiter gegen Gefahren für Leben, Gesundheit und Sittlichkeit, sowie über den Erlaß von Arbeitsordnungen. Auch die Vorschriften über die Arbeitsbücher bedürfen einer Ergänzung zu dem Zwecke, um das elterliche Ansehen gegenüber der zunehmenden Zuchtlosigkeit jugendlicher Arbeiter zu stärken. Die hiernach erforderliche Umgestaltung und weitere Ausbildung der Gewerbeordnung findet ihren Ausdruck in einer Vorlage, welche Ihnen unverzüglich zugehen wird.
„Eine weitere Vorlage erstrebt die bessere Regelung der gewerblichen Schiedsgerichte und zugleich eine Organisation derselben, die es ermöglicht, diese Gerichte bei Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitern über die Bedingungen der Fortsetzung oder Wiederaufnahme des Arbeitsverhältnisses als Einigungsämter anzurufen.

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 830. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/393&oldid=- (Version vom 20.8.2021)