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Im Handelsgewerbe darf die Beschäftigung zusammen höchstens 5 Stunden betragen. Durch statutarische Bestimmung einer Gemeinde oder eines weiteren Kommunalverbandes kann diese Beschäftigung allgemein oder für bestimmte Gewerbezweige weiter beschränkt oder auch ganz untersagt werden.

Am ersten Weihnachts-, Oster- und Pfingsttage ruht die Beschäftigung ganz. Die Stunde der Ruhezeit bestimmt die Ortspolizeibehörde, wobei auf den Hauptgottesdienst Rücksicht zu nehmen ist.

Während im allgemeinen nur den Arbeitgebern untersagt ist, ihre Arbeiter, Gehilfen und Lehrlinge zu beschäftigen, ist im Handelsgewerbe dem Arbeitgeber auch die eigene Tätigkeit und der ganze Betrieb während der Ruhestunden der Gehilfen verboten (§ 41 a). Diese Beschränkung gebot sich aus Rücksichten der Konkurrenz, damit nicht die auf Gehilfen angewiesenen Geschäfte gegenüber den Geschäften, in welchen der Prinzipal mit seinen Familienangehörigen tätig ist, im Nachteil seien. – Auf Antrag von zwei Dritteln der beteiligten Arbeitgeber kann auch in solchen Gewerben, die der Befriedigung tagtäglicher Bedürfnisse dienen (z. B. Barbiere, Bäcker), die Ruhezeit für die Gehilfen auch auf die Arbeitgeber ausgedehnt werden (§ 41 b).

Die notwendigen Ausnahmen bezüglich der Sonntagsruhe sind genau umschrieben und so an Bedingungen geknüpft, daß auch da die Zwecke des Arbeiterschutzes noch tunlichst gesichert bleiben.

Arbeiten in Notfällen oder im öffentlichen Interesse, die unverzüglich vorgenommen werden müssen, die gesetzliche Inventur, die Bewachung der Betriebsanlage, Reinigungs- und Instandhaltungsarbeiten, soweit sie den regelmäßigen Fortgang oder die Wiederaufnahme des Betriebes am kommenden Werktag bedingen, Arbeiten zur Verhütung des Verderbens von Rohstoffen sind kraft Gesetzes ohne weiteres zulässig. Zur Kontrolle, daß nicht die Arbeiter mehr als notwendig in Anspruch genommen werden, ist ein Verzeichnis vorgeschrieben, in welches die Zahl der beschäftigten Arbeiter, die Dauer und Art der Beschäftigung eingetragen wird. Jedenfalls soll den Arbeitern, sobald die Arbeit 3 Stunden überschreitet, oder der Besuch des Gottesdienstes unmöglich gemacht wird, der zweite Sonntag (von morgens 6 Uhr bis abends 6 Uhr) oder der dritte Sonntag (mit 36 Stunden) freigegeben werden.

Für Betriebe, die ihrer Natur nach eine Unterbrechung nicht gestatten (Betriebe mit ununterbrochener Feuerung, z. B. Hochöfen) oder von chemischen Prozessen abhängen, sowie für Kampagne- und Saisonindustrien werden die notwendigen Ausnahmen durch den Bundesrat festgesetzt (§ 105 d). Diese Ausführungsverordnung ist sehr sorgfältig, umfaßt 8 Hauptgruppen mit ca. 80 Nummern und ist zugleich mit Erläuterungen versehen, um eine mißbräuchliche Ausdehnung abzuschneiden. Auch hier wird die Ruhe des zweiten oder dritten Sonntags gesichert.

Für Gewerbe, die der Befriedigung tagtäglicher oder zu Sonn- und Festtagen besonders hervortretender Bedürfnisse dienen (Bäcker, Barbiere, Metzger, Gasanstalten, Zeitungsdruckereien usw.), setzt die höhere Verwaltungsbehörde die Ausnahmen und die näheren Bedingungen fest (§ 105 e). In ähnlicher Weise sind Ausnahmen für die Betriebe getroffen, welche auf Benutzung von Wind und unregelmäßige Wasserkraft angewiesen sind (§ 105 e). Endlich kann in besonderen Fällen für einzelne Betriebe, wenn sich plötzlich Sonntagsarbeit zur Verhütung eines unverhältnismäßigen Schadens als notwendig erweist, die untere Verwaltungsbehörde solche erlauben. Diese Erlaubnis muß aber schriftlich gegeben und Abschrift in der Arbeitsstätte ausgehängt werden. Damit die untere Verwaltungsbehörde nicht zu leicht die Erlaubnis erteilt, wird sie verpflichtet, ein genaues Verzeichnis zu führen über Betriebe, Zahl der Arbeiter, Dauer, Gründe usw.

Auf Grund all dieser Kautelen darf heute die Sonntagsruhe als gesichertes Gut unserer deutschen Arbeiterschaft gelten.

Während vor 1892 gerade im Handelsgewerbe, besonders in offenen Verkaufsgeschäften, die Sonntagsarbeit in weitestem Maße Regel war und deshalb die Durchführung der Schutzbestimmungen am schwierigsten sich erwies, haben heute alle größeren Städte bereits von dem statutarischen Recht einer weiteren Herabsetzung der Verkaufszeit Gebrauch gemacht und ist auch bereits ein Gesetzentwurf zur weiteren Beschränkung der Arbeitszeit im Handelsgewerbe vorgelegt.

Schutz der Kinder und jungen Leute.

Kinder (unter 14 Jahren) durften nach der Gewerbeordnung von 1869

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 836. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/399&oldid=- (Version vom 20.8.2021)