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Betriebsstättenschutz. Sanitärer Maximal-Arbeitstag.

Die Bedienung der Betriebs- und Arbeitsmaschinen, die Zusammendrängung vieler Menschen und Maschinen in einem Raume, die Anhäufung von Rohstoffen und Fabrikaten, die mit der Arbeit häufig verbundene Erzeugung von Staub, ungesunden Dämpfen, Nässe, Kälte oder Hitze, schroffer Wechsel der Temperatur, die stete einseitige Anstrengung bestimmter Muskeln usw. verursachen vielfache besondere Gefahren und Schäden für Gesundheit und Leben. Fast alle Berufe weisen so ihre besonderen Berufskrankheiten auf. Dazu kommen die plötzlichen Gefährdungen durch Verletzungen und schwerere oder leichtere Unfälle. In beiden Beziehungen hatte schon die Gewerbeordnung von 1869 allgemeine Vorschriften vorgesehen, die aber durch die Arbeiterschutz-Novelle eingehender spezialisiert sind. Nicht minder sind aber auch Vorschriften zum Schutz der Sittlichkeit gegen die Gefahren, wie sie sich aus dem Zusammenarbeiten der verschiedenen Lebensalter und Geschlechter ergeben, gesetzlich festgelegt.

Die Arbeitgeber sind verpflichtet, die Arbeitsräume, Betriebsvorrichtungen, Maschinen und Gerätschaften so einzurichten und zu unterhalten und den Betrieb so zu regeln, daß die Arbeiter gegen Gefahren für Leben und Gesundheit soweit geschützt sind, wie es die Natur des Betriebs gestattet. Insbesondere ist für genügendes Licht, ausreichenden Luftraum und Luftwechsel, Beseitigung des bei dem Betrieb entstehenden Staubes, der dabei entwickelten Dünste und Gase sowie der dabei entstehenden Abfälle Sorge zu tragen. Ebenso sind diejenigen Vorrichtungen herzustellen, welche zum Schutze der Arbeiter gegen gefährliche Berührungen mit Maschinen oder Maschinenteilen oder gegen andere in der Natur der Betriebsstätte oder des Betriebs liegende Gefahren, namentlich auch gegen die Gefahren, welche aus Fabrikbränden erwachsen können, erforderlich sind. Endlich sind diejenigen Vorschriften über die Ordnung des Betriebs und das Verhalten der Arbeiter zu erlassen, welche zur Sicherung eines gefahrlosen Betriebs erforderlich sind.

Den Arbeitgebern liegt ferner die Verpflichtung ob, diejenigen Einrichtungen zu treffen und zu unterhalten und diejenigen Vorschriften über das Verhalten der Arbeiter im Betriebe zu erlassen, welche erforderlich sind, um die Aufrechterhaltung der guten Sitten und des Anstandes zu sichern. Insbesondere muß, soweit es die Natur des Betriebs zuläßt, bei der Arbeit die Trennung der Geschlechter durchgeführt werden, sofern nicht die Aufrechterhaltung der guten Sitten und des Anstandes durch die Einrichtung des Betriebs ohnehin gesichert ist.

In Anlagen, deren Betrieb es mit sich bringt, daß die Arbeiter sich umkleiden und nach der Arbeit sich reinigen, müssen ausreichende, nach Geschlechtern getrennte Ankleide- und Waschräume vorhanden sein. Die Bedürfnisanstalten müssen so eingerichtet sein, daß sie für die Zahl der Arbeiter ausreichen, daß den Anforderungen der Gesundheitspflege entsprochen wird und daß ihre Benutzung ohne Verletzung von Sitte und Anstand erfolgen kann.

Der Bundesrat (§ 120 e), die Landes-Zentralbehörden (§ 120 e) und die Polizeibehörden (§§ 120 d, 120 e) haben das Recht und die Pflicht, soweit notwendig, diese allgemeinen Vorschriften durch besondere Verordnungen oder im Wege polizeilicher Verfügung (für einzelne Betriebe) zu spezialisieren und so wirksamer zu gestalten.

Solche Verordnungen sind in großer Zahl sowohl seitens des Bundesrates (für Bleifarben- und Bleizuckerfabriken, Anfertigung von Zigarren, Akkumulatorenfabriken, Roßhaarspinnereien, Thomasschlackenmühlen, Zinkhütten, Buchdruckereien und Schriftgießereien, Steinbrüche und Steinhauereien usw.) als auch seitens der Landeszentralbehörden (z. B. für Spiegelbelaganstalten) und Polizeibehörden (z. B. für Bauten) erlassen.

Für die Unfallversicherung kommen außerdem noch die Berufsgenossenschaften der Unfallversicherung in Betracht (s. unten). Ferner die (mehr als 24) Dampfkesselrevisionsvereine und ihre Beamten, welche speziell die Verhütung von Dampfkesselexplosionen usw. zur Aufgabe haben und große Erfolge aufweisen.

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 839. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/402&oldid=- (Version vom 20.8.2021)