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Überall dort, wo Arbeiterausschüsse in diesem Sinne geschaffen und ausgebaut sind, haben sie sich auch durchaus bewährt. Durch die Bestimmungen bezüglich der Anhörung der Arbeiter bei Erlaß und Abänderung der Arbeitsordnung, der Mitwirkung bei der Verwaltung der Wohlfahrtseinrichtungen usw. hoffte man, die Einführung von Arbeiterausschüssen wirksam zu fördern. Leider hat sich diese Hoffnung nicht erfüllt. Nur in verhältnismäßig wenig Fabriken bestehen solche Arbeiterausschüsse, und soweit solche bei Erlaß der Arbeitsordnung geschaffen worden sind, sind sie meistens nicht weiter gepflegt und entwickelt worden.

Die Arbeiterschutzkommission des Reichstags hat auf Grund dieser Erfahrungen bei Beratung der großen Arbeiterschutznovelle 1908 mit großer Mehrheit die obligatorische Einführung der Arbeiterausschüsse und Ausstattung mit weiterem Recht beschlossen; jedoch sind diese Beschlüsse nicht zu gesetzgeberischer Verabschiedung gekommen.

Was die Arbeiterausschüsse in dem einzelnen Betrieb bezwecken: „Die Fühlung zwischen Arbeitgebern und Arbeitern“ zu sichern und den Arbeitern „den freien und friedlichen Ausdruck ihrer Wünsche und Beschwerden“ zu ermöglichen, das sollte für die großen, gewerblichen Berufsgruppen durch die Errichtung von „Arbeitskammern“ erreicht werden. Insbesondere sollten so die Arbeiter „zur Wahrnehmung ihrer Interessen bei Verhandlung“ nicht bloß mit den Arbeitgebern, sondern auch „mit den Organen der Regierungen“ befähigt und diesen so zugleich Gelegenheit gegeben werden, „sich über die Verhältnisse der Arbeiter fortlaufend zu unterrichten und mit diesen Fühlung zu behalten“ (Februar-Erlaß). Leider ist der entsprechende Gesetzentwurf 1908 in der zweiten Lesung im Plenum des Reichstages stecken geblieben, da der Beschluß der Kommission, daß auch Gewerkschaftssekretäre als Vertreter der Arbeiter (bis zu höchstens einem Viertel) wählbar sein sollten, von den verbündeten Regierungen als unannehmbar erklärt wurde.

Regelung der Lohnzahlung. Lohnbücher und Lohnzettel.

Baldige und klare Festsetzung der Arbeitsbedingungen: Art, Umfang der übertragenen Arbeit, Bedingungen für die Lieferung von Werkzeugen und Stoffen, Lohnsätze, Tag der Lohnzahlung usw., Zeitpunkt der Ablieferung hat sich vor allem in der Hausindustrie als dringendstes Bedürfnis erwiesen. Deshalb ist durch die Novelle von 1900 resp. (neu gefaßt) 1911 dem Bundesrat das Recht gegeben worden, für bestimmte Gewerbe Lohnbücher oder Lohnzettel vorzuschreiben (§ 114 a). Für die Kleider- und Wäschekonfektion ist von dieser Vollmacht Gebrauch gemacht.

Weiterhin haben die Vorschriften bezüglich der Lohnzahlung (Verbot des Trucks usw.) durch die Novelle von 1891 mehrfache Erweiterung erfahren.

Die Arbeitslöhne sind in Reichswährung zu berechnen und bar auszuzahlen (§ 115). Die Arbeitgeber dürfen keine Waren kreditieren. Lebensmittel dürfen nur mit den Anschaffungskosten, Wohnung und Landnutzung nur mit den ortsüblichen Miet- und Pachtpreisen, regelmäßige Beköstigung, Feuerung usw., Werkzeuge und Stoffe zu den übertragenen Arbeiten nur mit den durchschnittlichen Selbstkosten in Anrechnung gebracht werden. Die Auslöhnung in Schankwirtschaften und Verkaufsstellen ist verboten; ebenso die Auszahlung des Lohnes an Dritte auf Zession hin (§ 115 a). Lohneinbehaltungen zur Schadloshaltung im Falle des Kontraktbruches sind dahin beschränkt, daß die Einbehaltung für die einzelne Lohnzahlung höchstens ein Viertel betragen und im ganzen höchstens einen Wochenverdienst erreichen darf. Für Betriebe mit mindestens 20 Arbeitern ist durch die Novelle von 1911 vorgeschrieben, daß bei der regelmäßigen Lohnzahlung ein schriftlicher Beleg (Lohnzettel, Lohntüte, Lohnbuch usw.) über den Betrag des verdienten Lohnes und die Arten der Abzüge ausgehändigt wird.

Endlich kann durch statutarische Bestimmungen einer Gemeinde oder eines weiteren Kommunalverbandes bestimmt werden, daß die Lohnzahlung in bestimmten Fristen erfolgen muß, daß für Minderjährige

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 843. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/406&oldid=- (Version vom 20.8.2021)