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Zu den Kosten der Arbeiterversicherung haben beigetragen die

1911 1885−1911
Arbeitgeber 442 Mill. Mark 5688 Mill. Mark
Versicherten 393 Mill. Mark 5030 Mill. Mark
das Reich 53 Mill. Mark 693 Mill. Mark

Während die deutschen Arbeiter also bis 1911 stark fünf Milliarden an Beiträgen aufgebracht haben, haben sie bis dahin bezogen weit über neun Milliarden Mark, und sind noch für sie reserviert beinahe 2,7 Milliarden Mark. – Die jährlichen Leistungen der Arbeiterversicherung haben heute bereits die Summe von einer Milliarde Mark überschritten.

Mehr als zehn Milliarden Mark sind bis Ende 1912 unserm Arbeiterstande zugeflossen. Diese Summe muß Eindruck machen. Ihren vollen Segen würden wir aber erst dann ermessen können, wenn wir den Weg jeder einzelnen Mark in die Hunderttausende und Millionen von Familien und Haushalten verfolgen könnten: wieviel Not und Elend gestillt, wieviel Verzweiflung und Bitterkeit gemildert, wieviel Mut und Vertrauen neu belebt und geweckt wird. Sie kommen dem Arbeiter gerade dann zugute, wenn die eigne Kraft versagt, wenn die Not am dringendsten ist, in den Tagen der Krankheit, der Invalidität, des Alters.

Bedeutung für die Gesundheitspflege.

Diese Summen dienten aber nicht bloß zur Steuerung der Not, sondern vermittelten dem Arbeiter oft wieder Gesundheit, Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, neue Lebenskraft und Lebenshoffnung. Die Krankenversicherung allein verwandte 1885–1911 für Heilbehandlung (freie ärztliche Behandlung, Arznei und Anstaltspflege) nicht weniger als 2361 Millionen Mark. Auch der ärmste Arbeiter erfreut sich heute sofortiger ärztlicher Hilfe; er braucht sich keine Sorge um die Bezahlung von Arzt und Apotheke zu machen. Die sorgsamste Heilbehandlung durch Spezialärzte, in Spezialanstalten, Bädern, Lungenheilanstalten, Rekonvaleszentenanstalten, Walderholungsheimen usw. ist kein Privileg der Besitzenden mehr.

Soweit diese Leistungen die Mittel der Krankenkassen übersteigen, greifen die Unfallversicherung und die Invalidenversicherung vielfach ergänzend ein. So hat die Unfallversicherung für Heilverfahren und Heilanstaltsfürsorge verwendet 1911: 8,8 Mill. Mark; 1885–1911: 129,6 Mill. Mark (ungerechnet die Angehörigenunterstützung). Immer mehr legt sie Wert darauf, möglichst frühzeitig selbst die Heilbehandlung zu übernehmen und keine Kosten sorgfältigster Behandlung zu scheuen, um die Erwerbsfähigkeit möglichst wiederherzustellen. Nicht minder haben die Invalidenanstalten das Heilverfahren in stetig steigendem Maße gepflegt. So wurde 1911 47 579 an Lungentuberkulose erkrankten Personen und 39 668 sonstigen Kranken ein ständiges Heilverfahren in Lungenheilstätten, Bädern usw. gewährt und dafür 23,6 Millionen Mark verausgabt. In den Jahren 1897 bis 1911 sind etwa 857 000 Versicherte mit einem Aufwand von über 205 Millionen Mark behandelt worden, davon 371 000 mit einem Aufwand von mehr als 135 Millionen Mark wegen Lungentuberkulose, Kehlkopftuberkulose und Lupus. Auch der Kampf gegen die Trunksucht und die Geschlechtskrankheiten wurde mit Erfolg aufgenommen.

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 850. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/413&oldid=- (Version vom 20.8.2021)