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dagegen einen Durchschnittsmilchertrag von 2400 Liter festgestellt. Danach würden 1907 im ganzen Reich rund 252 Millionen Hektoliter Milch erzeugt worden sein. Dies würde eine Steigerung in 25 Jahren um 55,5% bedeuten. Der Wert der gesamten Milcherzeugung wird auf Grund dieser Erträge mit 2,8 Milliarden Mark berechnet und kann unter Hinzunahme von rund 10,5 Millionen Hektoliter Ziegenmilch mit rund 3 Milliarden Mark für 1912 als nicht zu hoch angesehen werden. Da unser gesamter Einfuhrüberschuß an Milch (auch Rahm) und Molkereiprodukten (Butter und Käse) im Durchschnitt der letzten 5 Jahre 1908/12 nur rund 160 Millionen Mark Wert darstellte, so stellt sich auch bei der Milcherzeugung das Verhältnis so, daß annähernd 95% des Verbrauchs durch Inlandserzeugung gedeckt wird und nur etwa 5% aus dem Auslande eingeführt werden.

Das ist in großen Zügen die Entwickelung unseres Getreidebaues und unserer Viehzucht unter Kaiser Wilhelm II.


Es ließe sich – namentlich über die Pferdezucht, den Futterbau, den Hackfruchtbau, die technischen Nebengewerbe, die Kultivierungen unserer Ödländereien, die veränderten Arbeiterverhältnisse und die Ausbreitung des maschinellen – Betriebes noch vieles hinzufügen. Aber der Zweck dieser Zeilen war nur ein ganz allgemeiner Überblick über die Gesamtentwickelung unserer Landwirtschaft während der Regierungszeit unseres Kaisers.

Ausblick.

Ich denke, wer die von mir vorstehend gegebenen Daten ohne Voreingenommenheit liest, wird mir zugeben müssen, daß unsere Landwirtschaft – trotz der äußerst schwierigen und kritischen Lage, in welcher sie sich in den ersten Regierungsjahren Wilhelms II. befand – alle ihre Kräfte gesammelt und aufs äußerste angespannt hat, um durch technische Vervollkommnung und Betriebsverbesserungen jeder Art nicht nur ihrer schwierigen Lage Herr zu werden, sondern zugleich auch ihre vaterländischen Aufgaben der möglichst selbständigen Ernährung unseres Volkes immer vollkommener zu erfüllen. Und man darf wohl sagen, daß diese Anstrengungen von großen sichtlichen Erfolgen gekrönt wurden: die deutsche Landwirtschaft steht heute unbestritten – wie die Denkschrift der Dresdener Bank es ausspricht – „in technischer Hinsicht an der Spitze aller Agrarstaaten der Welt“. Das beweist zur Genüge allein der Umstand, daß, trotz der geringeren Qualität unseres Bodens und der Ungunst unseres Klimas, unsere Getreideerträge von der gleichen Flächeneinheit diejenigen aller anderen Agrarstaaten sehr erheblich, d. h. um mehr als 30% übersteigen.

Nichts aber wäre verkehrter, als wenn unsere Landwirte nun etwa glauben wollten, auf ihren Lorbeeren ausruhen zu können, weil sie den Gipfel technischer Vervollkommnung erreicht hätten oder daß man volkswirtschaftlich etwa annehmen wollte, nunmehr den Gipfel der möglichen Produktionssteigerung erreicht zu haben. Das Gegenteil ist vielmehr das Richtige. Wir stehen heute überall nahezu auf allen Gebieten – in der rationellen Anwendung künstlicher Düngung, der Auswahl und Züchtung besseren Saatgutes, des maschinellen Betriebes zur Ersparung menschlicher Arbeitstraft, der rationellen Fütterung und züchterischen Verbesserung unserer Viehbestände,

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 481. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/44&oldid=- (Version vom 20.8.2021)