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und 1907 trat ein einheitlicher deutscher Personentarif ins Leben, nachdem für den Güterverkehr einheitliche Tarifvorschriften und eine gemeinsame Güterklassifikation schon 1877 geschaffen worden waren.

Daneben bestehen wichtige Eisenbahnverbände, deren Wirkungsbereich über die deutschen Grenzen hinaus sich erstreckt. In ganz Zentraleuropa verkehren durchgehende Personen- und Gepäckwagen ohne Rücksicht auf die Landesgrenzen. 1893 trat das Berner Internationale Übereinkommen über den Frachtverkehr in Kraft, vermöge dessen die Bahnen des ganzen europäischen Kontinents eine internationale Transportgemeinschaft bilden, ein internationales Übereinkommen über den Personenverkehr ist unter den europäischen Staaten gleichfalls schon vereinbart und bedarf nur noch der Ratifikation durch die Regierungen.

Durch diese Vorgänge scheint die künftige Entwicklung vorgezeichnet zu sein. Sie wird sich wohl nicht nach der Richtung bewegen können, daß die deutschen Eisenbahnen zu einer einzigen großen Gemeinschaft zusammengeschlossen werden, sondern nur dahin, daß schrittweise weitere Einzelvereinbarungen da abgeschlossen werden, wo damit Verbesserungen in der Verkehrsbedienung und Wirtschaftsführung erreicht werden können.

Der so eingeschlagene Weg entspricht der geschichtlichen Entwicklung Deutschlands, die nie zur Zentralisierung geneigt hat. Auch er verbürgt eine zweckmäßige Bedienung des allgemeinen Verkehrs und zwar unter Wahrung der individuellen Interessen der einzelnen Landesteile.

II. Bau und Betrieb.

Das Eisenbahnnetz.

Das Eisenbahnnetz Deutschlands hatte 1911 an voll- und schmalspurigen Bahnen einschließlich der nebenbahnähnlichen Kleinbahnen eine Gesamtlänge von 72 400 km, fast doppelt soviel als 25 Jahre vorher.

An Engmaschigkeit seines Eisenbahnnetzes wird Deutschland mit 134 km Bahnen auf 1000 qkm nur von Belgien (288 km auf 1000 qkm), sonst von keinem anderen Lande der Erde übertroffen.

Die baulichen Anlagen.

Aber in dem Zuwachs an Bahnlänge liegt nicht der Schwerpunkt der Entwicklung. Das abgelaufene Vierteljahrhundert war vor allem eine Zeit großartigen inneren Ausbaus der bestehenden Bahnen. Es galt in erster Linie den drängenden Anforderungen des mächtig wachsenden Verkehrs gerecht zu werden, hierfür die Anlagen zu erweitern und zu vervollkommnen, den Fahrpark zu verstärken und seine Ausnutzung zu verbessern.

Und doch hat die Verkehrsnot des Jahres 1912 im rheinisch-westfälischen Industriegebiet gezeigt, daß bei dem Zusammentreffen ungünstiger Verhältnisse in Zeiten hochgespannter Wirtschaftslage selbst Zurüstungen von so gewaltiger Bedeutung, wie sie das preußische Staatsbahnunternehmen auszeichnen, versagen und daß bedenkliche Störungen

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 881. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/444&oldid=- (Version vom 20.8.2021)