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bestehende Verkehrsstraße quer durch Afrika vom indischen bis zum atlantischen Ozean eröffnen zu können.

Ein ganzes Netz von Bahnen ist in Deutsch-Südwestafrika entstanden, wo von den Küstenplätzen Swakopmund und Lüderitzbucht aus Stichbahnen bis tief in das Innere hergestellt und durch eine mächtige Nord-Südlinie Karibib–Windhuk–Keetmanshoop miteinander verbunden wurden. Das Eisenbahnnetz in Deutsch-Südwestafrika ist mit fast 2000 km das größte in den deutschen Schutzgebieten.

Kleinere, aber wirtschaftlich nicht unbedeutende Aufschließungslinien sind in Togo und Kamerun teils ausgeführt, teils im Bau begriffen.

Die deutschen Kolonialbahnen sind fast durchwegs Staatsbahnen im Besitze der Schutzgebiete selbst. Einige wichtige Linien sind erst neuerdings in das Eigentum des Reichs übergegangen. Den Betrieb führen jedoch Privatgesellschaften gegen Entrichtung eines Bahnpachtzinses.

Die Bahnen sind teils in Meterspur, teils in Kapspur (1,067 m) ausgeführt. Die Kapspur ist die Spurweite der englischen Bahnen in Südafrika und der Kap-Kairo-Bahn, die nach Cecil Rhodes kühnem Plan den afrikanischen Kontinent von Süden nach Norden in einer Länge von 9500 km (mit Einschluß der Dampfschiffstrecken) durchziehen soll, allerdings jetzt noch eine Lücke von 3500 km aufweist. Wo bei unseren deutschen Kolonialbahnen ein Anschluß an die englischen Bahnen in Südafrika oder an die Kap-Kairo-Bahn künftig in Frage kommen kann, wurde die Kapspur gewählt.

Das Anlagekapital der Bahnen in den deutschen Schutzgebieten wird Ende 1913 auf etwa 378 Millionen Mark angewachsen sein. Es beträgt ungefähr 84 000 Mark für das Kilometer, nicht ganz ein Drittel des Anlagekapitals der deutschen Bahnen im Mutterland. Im Jahre 1911 haben die deutschen Kolonialbahnen eine Verzinsung des Anlagekapitals von 2,2% aufgebracht, ein sehr zufriedenstellendes Ergebnis, wenn man berücksichtigt, daß sie Erschließungsbahnen sind, die in allererster Linie der wirtschaftlichen Hebung der Schutzgebiete dienen sollen.

Wie die kürzlich erschienene Denkschrift des Reichskolonialamts feststellt, haben die neu in Betrieb gesetzten Bahnen vielfach einen geradezu erstaunlichen Einfluß auf die Kolonialwirtschaft ausgeübt, weshalb bei der Beurteilung ihrer Wirtschaftlichkeit vor allem die indirekte Rentabilität berücksichtigt werden muß. Die Bahnen in den Schutzgebieten mehren die Einnahmen an Zöllen und Steuern, mindern die Ausgaben für die Verwaltung und militärische Sicherung der Schutzgebiete und decken auf diese Weise wenigstens mittelbar die Verzinsung ihres Anlagekapitals.

In Deutsch-Ostafrika mußte, solange es keine Bahnen gab, ausschließlich der Mensch die Lasten tragen. Aber der Trägerverkehr ist langsam und teuer. Mehr als 25–35 kg nimmt ein Träger nicht. Er muß daneben noch seine Lebensmittel und die Utensilien für die tägliche Rast tragen. Je nach den Verhältnissen müssen für die Beförderung der Lasten Preise von 0,60–2,30 Mark für das Tonnenkilometer bezahlt werden. Auch bei der in Togo üblichen Lastenbeförderung in Karren, die von Menschen gezogen werden, und bei dem in Südafrika vorherrschenden Transport im Ochsenwagen betragen die durchschnittlichen Frachtenpreise 0,60–1,70 Mark für das Tonnenkilometer. Die Tarife der

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 898. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/461&oldid=- (Version vom 20.8.2021)