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Ende gemacht wurde. Großes auf dem Gebiet der inneren Kolonisation hat namentlich die Generalkommission in Frankfurt a. O. unter ihrem langjährigen, hochverdienten Präsidenten geleistet.

Gemeinnützige Gesellschaften.

Neben diesen staatlichen Unternehmungen sehen wir in derselben Zeit die ersten Versuche, durch private gemeinnützige Gesellschaften auf diesem Gebiet vorwärtszukommen. Die erste gemeinnützige Ansiedlungsgesellschaft wurde durch den damaligen Ministerialdirektor Dr. Thiel mit Hilfe eines kleinen Kreises für die Aufgabe begeisterter Männer geschaffen. Sie sollte den praktischen Beweis liefern, daß durch derartige Gesellschaften es möglich sei, lebensfähige Ansiedlungen ohne Überteuerung der Ansiedler zu schaffen. Diese Aufgabe ist im kleinen Rahmen tadellos gelöst worden; die Gesellschaft mußte aber dann ihre Tätigkeit einstellen, da ihr die nötigen Mittel zu größerer Arbeit fehlten.

Gegenüber den Versuchen, welche die demokratische Presse macht, eine vollständig falsche Darstellung der Vorgänge auf diesem Gebiet aus einseitigem Haß gegen den Großgrundbesitz zu geben, ist darauf hinzuweisen, daß in den Jahren 1900 und 1901 im Preußischen Abgeordnetenhause zweimal ein Antrag angenommen worden ist, welcher verlangte, daß ein sehr erheblicher Betrag zur Erweiterung des Zwischenkredits von seiten des Staates hergegeben werde. Heute kann man fast täglich in der demokratischen Presse lesen, daß damals von dem Junkertum im Abgeordnetenhause diese Gesetzgebung verhindert sei, aber gerade die berüchtigten Junker und Agrarier waren es, die den damaligen Finanzminister Miquel veranlaßt haben, diese Gesetzgebung einzuleiten, und nicht sie tragen die Schuld daran, daß schließlich das Gesetz im Herrenhause zum Scheitern gekommen ist. Neben diesen gemeinnützigen Bestrebungen sahen wir aber gleichzeitig das Unwesen der Güterschlächterei sich immer weiter auszudehnen, und so ergab sich schließlich bei der zunehmenden Verödung des Landes die Notwendigkeit, mit öffentlichen Einrichtungen in dieser Richtung vorzugehen. Der Kampf, der auf diesem Gebiet geführt worden ist, hat alle interessierten Stellen jahrelang beschäftigt; leider ist in demselben nicht alles erreicht worden, was wir hätten erreichen müssen und die gemeinnützigen Gesellschaften, welche wir jetzt in einer ganzen Anzahl von Provinzen gegründet haben, werden nicht überall und nicht dauernd in der Lage sein, den großen Aufgaben gerecht zu werden, welche ihnen gestellt sind. Der Staat wäre derjenige gewesen, welcher in erster Linie dieses große Kolonisationswerk zu tragen gehabt hätte, denn er allein kann allen Aufgaben gerecht werden, welche hier zu erledigen sind. Es sei nur darauf hingewiesen, daß die Regelung der Schullasten, Kommunallasten usw. in einer für die Neusiedlung entsprechenden Weise nur durch den Staat vorgenommen werden kann.

Neben den gemeinnützigen Gesellschaften sehen wir noch eine Reihe von privaten Erwerbsgesellschaften, darunter in erster Linie die Landbank. Es ist charakteristisch, daß die größte dieser Gesellschaften nach ziemlich kurzer Zeit die eigentliche Arbeit der Kolonisation aufgibt und sich nur noch mit Güterhandel beschäftigt, weil sie sehr bald einsehen mußte, daß für die erstere Aufgabe selbst ihre großen Mittel nicht ausreichten.

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 487. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/50&oldid=- (Version vom 20.8.2021)