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Die landwirtschaftlichen technischen Gewerbe
Von Prof. Dr. K. v. Buchka, Geh. Oberregierungsrat im Reichsschatzamt, Berlin


Einleitung.

Als landwirtschaftliche technische Gewerbe bezeichnet man im allgemeinen solche Gewerbszweige, die in wirtschaftlicher und meist auch in räumlicher Verbindung mit der Landwirtschaft betrieben werden. Sie verarbeiten landwirtschaftliche Rohstoffe und bilden daher oft einen wesentlichen Teil eines Landwirtschaftsbetriebes. Indessen fallen nicht alle Gewerbsanstalten, in denen landwirtschaftliche Erzeugnisse weiterverarbeitet werden, unter jenen Begriff. Vielmehr haben sich auch Gewerbszweige, die früher in unmittelbarer Verbindung mit der Landwirtschaft betrieben wurden, zu selbständigen Gewerben entwickelt. Dadurch ist ihr Zusammenhang insonderheit mit der einheimischen Landwirtschaft gelockert. Denn es liegt in dem Begriff der landwirtschaftlichen Gewerbe, daß in den zu ihnen gehörenden Gewerbsanstalten vorwiegend, wenn nicht ausschließlich die Erzeugnisse des wirtschaftlich und räumlich mit ihnen verbundenen Landwirtschaftsbetriebes verarbeitet werden. Der Entwicklung dieser Gewerbsanstalten ist daher eine gewisse natürliche, durch den Umfang des dazu gehörigen Landwirtschaftsbetriebs gegebene Grenze gezogen. Sobald der Übergang zum Großbetrieb einsetzt und die Verarbeitung auch fremder oder gar ausländischer Rohstoffe notwendig wird, hören diese Betriebe auf, im engeren Sinne noch zum landwirtschaftlichen Gewerbe zu zählen. Diese Entwicklung hat die Müllerei und haben viele Brennereien genommen, welch letztere ursprünglich nur als landwirtschaftliche, Getreide oder Kartoffeln verarbeitende Brennereien betrieben wurden, dann aber ihren Betrieb erweiterten, von der Landwirtschaft sich loslösten, auch zur Verarbeitung von nicht selbst erzeugten oder ausländischen Rohstoffen, z. B. von Mais übergingen und so zu rein gewerblichen Brennereien wurden. Danach schwankt der Begriff der landwirtschaftlichen Gewerbe, je nachdem man die Grenze enger oder weiter zieht. In dem Nachstehenden sind als ein landwirtschaftliches Gewerbe betreibend nur die folgenden berücksichtigt: die Molkereien, die Rübenzuckerfabriken, die Kartoffelflockenfabriken, die Kartoffelstärke- und Stärkezuckerfabriken, die Branntweinbrennereien und die Bierbrauereien.

Allen diesen Gewerben ist die Verarbeitung landwirtschaftlicher Rohstoffe und im allgemeinen ein enger Zusammenhang mit der Landwirtschaft gemeinsam. Wie die Landwirtschaft darauf bedacht sein muß, ihre Erzeugnisse: Milch, Zuckerrüben, Kartoffeln, Getreide, so vorteilhaft wie möglich zu verwerten, so sind jene Gewerbe wiederum darauf angewiesen, ihre Rohstoffe so billig wie möglich zu beziehen. Aus dieser engen Zusammengehörigkeit ergeben sich einerseits für beide Teile mancherlei Vorteile;

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 495. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/58&oldid=- (Version vom 20.8.2021)