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St. Peter in Salzburg, St. Emmeram in Regensburg mit der Aufhebung dieser Klöster eingegangen waren, so haben sie nicht nur in den theologischen Fakultäten einen teilweisen Ersatz für die ersteren gefunden; sie haben auch in der vielverkannten Görresgesellschaft sich eine Art Akademie geschaffen, die, klein anfangend, nach Überwindung des ersten dilettantischen, zu stark von kirchenpolitischem Geiste beeinflußten Stadiums, sich umfassenden wissenschaftlichen Aufgaben zugewandt und deren Lösung teils erreicht, teils verheißungsvoll weit gefördert hat. Nach und nach hat sie sich in verschiedene Sektionen gegliedert: eine philosophische, historische, archäologische, rechts- und sozialwissenschaftliche, von denen jede periodische Publikationen herausgibt. Selbst die strenge Muse eines F. X. Kraus, der für spezifisch katholische Unternehmungen nicht voreingenommen war, hat im Jahre 1898 die historische Abteilung der Görresgesellschaft das erfreulichste und trostreichste Element genannt, welches das geistige Leben des europäischen Katholizismus zu Ausgang des 19. Jahrhunderts aufgewiesen habe. Das Historische Jahrbuch der Gesellschaft darf sich wohl ungescheut mit Organen anderer Richtung messen. Die großen Publikationen des historischen Instituts, das die Gesellschaft – von einer privaten, mit bescheidenen Beiträgen rechnenden Organisation wohl ein beispielloses Wagnis – in Rom unterhält, haben ungeteilte Anerkennung bei Freunden und Gegnern gefunden. Ebenso erfreuen sich das philosophische Jahrbuch und die sonstigen Veröffentlichungen durchweg einer guten Aufnahme.

Zeitschriften.

Von dem regen geistigen Leben des deutschen Katholizismus gibt außerdem, neben zahlreichen streng wissenschaftlichen oder mehr populären literarischen Erscheinungen auf allen Gebieten, eine vergleichsweise lange Reihe von Zeitschriften beredtes Zeugnis. Unter den speziell theologischen ist in erster Linie die noch im laufenden Dezennium ihren hundertsten Jahrgang erreichende Theologische Quartalschrift zu nennen, herausgegeben von der katholischen Fakultät der Tübinger Hochschule. Von ewigen Anwandlungen eines zweifelhaften modernsten Katholizismus in der jüngsten Zeit abgesehen, hat sie sich im ganzen immer als erstes wissenschaftliches Organ der katholischen Theologie zu erhalten gewußt. Neben ihr steht als fast gleichaltriger Genosse der nach einigen Wanderungen in seiner Frühzeit seit lange beständig in Mainz erscheinende Katholik, weniger wissenschaftlich und enger in seiner Richtung, als Vertreter der neuscholastisch-jesuitischen Schule früher bedeutender als heute. Dazu kommen eine ganze Anzahl jüngerer, teilweise sehr tüchtiger Zeitschriften.

Kirchliche Kunst.

Auch die kirchliche Kunst, im Katholizismus immer eine wertvolle Ergänzung und Gehilfin des Kultus, in den letzten Jahrzehnten zu neuer Blüte gelangt, hat sich mehrere Organe für Propaganda ihrer Tendenzen und Interessen geschaffen, unter denen das von der Münchener Gesellschaft für christliche Kunst herausgegebene die erste Stelle behaupten dürfte.

Wissenschaft und kirchliche Autorität.

Erst in neuester Zeit fängt Frankreich an, der deutschen katholischen Theologie die Palme streitig zu machen. Freilich hat die theologische Wissenschaft unseres westlichen

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1048. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/611&oldid=- (Version vom 21.8.2021)