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Das gesamte Wirtschaftsleben mit seinen rechtlichen Grundlagen und seinen Handelsbewegungen fordert um so mehr Berücksichtigung in der Ausbildung des Technikers, je mehr sich auch in Deutschland die Überzeugung Bahn bricht, daß von den höheren Verwaltungsstellen technischer Staatsbetriebe und großer Unternehmungen Techniker nicht grundsätzlich ausgeschlossen bleiben dürfen, und je mehr der wirtschaftliche Wettbewerb, besonders der mit dem Auslande, auf die Gewandtheit in der Ausnutzung des Marktes hinausläuft. Wenn die Praxis so oft Jurist, Techniker und Kaufmann am liebsten in einer Person vereinigt sehen möchte, so ist es gewiß wünschenswert, das Zusammenwirken und gegenseitige Verständnis dieser drei Betätigungen bereits in der Ausbildungsart der Studierenden zu berücksichtigen.

Während die deutschen Hochschulen im allgemeinen die Anforderungen, die sie beim Studienabschluß an ihre Studierenden stellen, im Laufe der Zeit aneinander abgeglichen hatten, zeigten sich noch 1908 auf dem Gebiete der wirtschaftlichen und rechtlichen Studien erhebliche Unterschiede. In Dresden z. B. waren sie seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts als Bestandteile des Ingenieurstudiums beachtet worden, in Berlin oder Braunschweig wurden sie nur in verschwindendem Maße berücksichtigt.

Neue Fächer.

Die Fragen der Bemessung des Studiums der exakten und der Verwaltungswissenschaften betreffen die Stellung der Technik im Gesamtbilde der deutschen Kultur. Während sie erörtert wurden, traten auch Fragen hervor, die die Abgrenzung der einzelnen technischen Fächer gegeneinander berühren, wie sie durch die praktische Verwendbarkeit der Techniker bestimmt sind. Bis zum Emporblühen der Elektrotechnik im vorletzten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts waren Hochbau und Ingenieurbau, Maschinentechnik und chemische Technik die vier Hauptrichtungen der technischen Hochschulen. An das Ingenieurbauwesen anschließend bildeten einzelne Hochschulen noch Vermessungsingenieure und Kulturingenieure aus, zwischen die mechanisch- und die chemisch-technologische Richtung schalteten einzelne Hochschulen eine auf die Fabrikverwaltung, insbesondere auf die Textilindustrie zielende Ausbildung für Fabrikingenieure ein, – das blieb bis zum Auftreten der Elektrotechnik die Mannigfaltigkeit der Studienrichtungen, wobei von der Behandlung an dieser Stelle selbstverständlich ausgeschlossen bleibt, was gelegentlich administrativ einzelnen technischen Hochschulen angegliedert ist, ohne Technik im engeren Sinne zu sein, wie Arzneiwissenschaft, Bergbau, Landwirtschaft, Forstwesen und Handelswissenschaft. Die schnelle große Entwickelung der Elektrotechnik brach diese Schranken; etwa von 1885 an entstanden teils selbständige, meistens aber den Maschinenabteilungen angegliederte Studienpläne für das neue Fach. Aber andere technische Zweige folgten bald nach: der Schiffsbau und das Schiffsmaschinenwesen, das Eisenhüttenwesen, besonders drängend aber in den letzten Jahren das Städtebauwesen. Nicht allein Berücksichtigung bei den Prüfungen forderten diese neu herangewachsenen Aufgaben der Techniker, vielfach erhoben sie auch den Anspruch, als besondere Studienrichtungen neben den alten anerkannt zu werden. Dem stand nun freilich gegenüber, daß eine höhere akademische Bildung nicht allzu eng auf eine

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1068. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/631&oldid=- (Version vom 9.3.2019)