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der erwachsenen Schüler geleitet wird: nicht in gegebene Formen eingezwängt, sondern zu selbständiger Betätigung angeregt.

Die Lehrer. Fragen der Prüfung und Beförderung.

Unendlich viel hängt von dem Können und Wollen des Lehrers ab. Eine neue Prüfungsordnung (von 1898) hatte den ausgesprochenen Zweck, nur solche in den Beruf einzulassen, die von vornherein gerüstet wären auch in Prima zu unterrichten; eine Lehrbefähigung für die Unterstufe gab es nun überhaupt nicht mehr. Durch wiederholte materielle Verbesserungen, zuletzt durch den Normaletat von 1908, der die lange versprochene Gleichstellung der wissenschaftlichen Lehrer mit den juristisch vorgebildeten Beamten brachte, wurde dahin gewirkt, die Berufsfreudigkeit zu erhöhen. Wer einmal zu fester Anstellung als Oberlehrer gelangt ist, kann sicher darauf rechnen, mit Rang und Einkommen in bestimmten Fristen aufzurücken; Zufall oder Willkür, ungünstige Beurteilung seitens eines Vorgesetzten können keinen mehr zurückhalten. Damit war allerdings auch ein Ansporn zum Wetteifer beseitigt und eine Mahnung unbeachtet geblieben, die auf der Junikonferenz 1900 einer der hohen Offiziere ausgesprochen hatte: die wichtigste Reform sei im Personal zu suchen, strebsamen Kräften müsse Gelegenheit gegeben werden sich zu entwickeln; man solle die mittelmäßigen Kräfte auf das richtige Niveau zurückweisen und ihnen nicht die gleiche Stellung einräumen wie hervorragenden Lehrern. In der Tat, auf diesem Grundsatze beruht die Stärke unserer herrlichen Armee; die festen Traditionen eines altmonarchischen Staatswesens sichern seine Durchführung. Daß dieser Schutz auch der Arbeit im höheren Lehrberuf zugute komme, liegt im Interesse aller, um derentwillen sie getan wird. Denn auch da handelt es sich um Aufgaben, für deren Lösung es nicht ausreicht, überlieferte Methoden der Vorschrift gemäß anzuwenden.

Fortschritte im Unterrichtsbetrieb.

Wer geistige Güter – nicht anders als materielle – fruchtbar erhalten will, muß ihren Wert zu steigern suchen. Dieser Gedanke ist, seit dem Erlaß vom 26. November 1900, durch den Verlust der äußeren Vorrechte des Gymnasiums kräftig aufgeweckt worden. Man fragte, man forschte nach den eigentlichen, für die Gegenwart noch wirksamen Bildungselementen in den alten Sprachen, in den Kunstwerken der alten Dichter und Denker; so wurde die Behandlung des Lateinischen und Griechischen belebt und vertieft und damit der Glaube gestärkt, daß für kleinere Kreise empfänglicher Jugend die Antike und die im Ringen mit ihr sich bildende deutsche Geisteskultur immer wieder erhöhte Bedeutung gewinnen wird. Auf der andern Seite empfanden die Realanstalten den Antrieb, Sorge zu tragen, daß die äußere Gleichberechtigung, die ihnen verliehen war, keine bloß äußere bleibe; man suchte den Unterricht im Französischen und Englischen so wissenschaftlich auszubauen, daß er an Verstand schärfender, das Urteil übender Kraft dem in den alten Sprachen immer näher käme. Frisches Leben regt sich überall in Mathematik und Naturwissenschaften; der methodische Fortschritt der letzten zwölf Jahre ist an keiner Stelle deutlicher zu spüren. Schülerübungen in Physik, Chemie, Biologie

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1099. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/662&oldid=- (Version vom 31.7.2018)