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ist der Stein- und Kohlenfall die stärkste Gefahrenquelle nicht nur für den Erzbergmann, sondern auch für den durch schlagende Wetter und Kohlenstaubexplosionen bedrohten Steinkohlenbergmann. So wurden im Ruhrkohlenbergbau in dem Zeitraume von 1896 bis 1910 41,25% der entschädigungspflichtigen und 42,32% der tödlichen Unfälle allein durch Stein- und Kohlenfall bewirkt, während schlagende Wetter und Kohlenstaubexplosionen 2,01% entschädigungspflichtige und 9,44% tödliche Unfälle im Gefolge hatten. Aus dieser Erwägung heraus wurde in Preußen zur Untersuchung der Stein- und Kohlenfallunfälle eine Kommission eingesetzt, die im Jahre 1905 ihre Arbeiten abschloß und als bestes Mittel gegen diese Gefahr den planmäßigen Abbau empfahl, der bereits im Jahre 1901 nach dem Muster niederschlesischer und französischer Gruben auf den staatlichen Bergwerken des Saarrevieres eingeführt worden war. Während früher der Ausbau lediglich dem Gutdünken des Arbeiters überlassen worden war, werden beim planmäßigen Ausbau die Art des Ausbaues und die Zahl und Stärke der zu setzenden Hölzer der Willkür des Arbeiters entzogen. Es wird von der Grubenverwaltung für jedes Flöz oder jede Bauabteilung eine genaue Vorschrift über die Ausführung des Ausbaues erlassen und zugleich angestrebt, die Zimmerung in gleichmäßigem Abstande und in einem gewissen Verbande herzustellen, um das entblößte Hangende gleichmäßig zu unterstützen und seinen Druck abzufangen. Wenn auch anfangs mit der Ausführung dieses planmäßigen Ausbaues ein starker Rückgang der Arbeitsleistung und sowohl dadurch, als auch infolge erhöhten Holzverbrauches eine Steigerung der Selbstkosten eintrat, so gingen diese Kosten jedoch bald zurück, nachdem sich Arbeiter und Beamte an diesen Ausbau gewöhnt hatten. Der Zweck desselben, die durch Stein- und Kohlenfall verursachten Unfälle herabzumindern, wurde vollständig erfüllt; außerdem hatte er noch andere Vorteile im Gefolge. Die Herstellung und Überwachung eines sachgemäß ausgeführten Bergeversatzes wurde durch ihn erheblich erleichtert und ebenso die Anwendung von Schüttelrutschen und Schrämmaschinen erst durch ihn überhaupt ermöglicht. In Verbindung mit der nachgiebigen Zimmerung hat er deshalb auch dort, wo er von der Bergpolizeibehörde nicht zwangsweise eingeführt wurde, weitere Verbreitung erlangt.

Eine andere Neuerung im Ausbau von Steinkohlengruben besteht darin, daß man das Holz durch Eisen ersetzte, wozu man anfangs den Sommerschen Abbaustempel benutzte, der aus zwei ineinander verschiebbaren nahtlosen Mannesmannrohren besteht. Eine Verbindung dieser inzwischen verbesserten eisernen Stempel mit dem planmäßigen Ausbau ergab als neueste Errungenschaft den wandernden Grubenausbau von Reinhard, der überhaupt kein Holz mehr braucht, sondern durch Anwendung eiserner elastischer Stempel und stählerner Kappen das Hangende nachgiebig, gleichmäßig und nach Art der Vortreibezimmerung im Augenblick der Entblößung unterstützt, einen sehr weitgehenden Schutz gegen Stein- und Kohlenfall sichert und wegen seiner leichten Auswechselbarkeit und großen Dauerhaftigkeit trotz hoher Kosten bedeutende wirtschaftliche Vorteile bietet.

Der Ersatz der Handarbeit durch Maschinenarbeit begegnet beim Bergbau recht schwierigen Verhältnissen, da die Maschinen an die Rohstoffe herangebracht werden müssen und nicht, wie es sonst üblich, die zu verarbeitenden Stoffe den Maschinen zugeführt werden können. Dem Fortschreiten der Arbeit entsprechend müssen die Maschinen außerdem

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 512. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/75&oldid=- (Version vom 31.7.2018)