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120 PS), weshalb die elektrischen Lokomotiven erheblich leistungsfähiger sind als die anderen Lokomotiven. Freilich bleibt ihnen der Steinkohlenbergbau so weit verschlossen, als ihre Anwendung in Schlagwettergruben aus Sicherheitsgründen nur in den einziehenden Strecken möglich ist.

Dagegen hat die Elektrizität auf dem Gebiete der Haspelförderung auch im Steinkohlenbergbau überall Eingang gefunden, da es nach langen Versuchen gelungen ist, durch besondere Einkapselung des Motors eine Explosion schlagender Wetter durch Zündung des elektrischen Funkens auszuschließen. Doch sind die in der letzten Zeit erheblich verbesserten Lufthaspel noch immer sehr beliebt, weil sie gegen die in der Grube unvermeidlich rauhe Behandlung unempfindlicher sind, als die Elektrohaspel, und man ihren schlechteren Wirkungsgrad wegen ihrer höheren Betriebssicherheit gern mit in den Kauf nimmt.

Von besonderer Wichtigkeit für den Abbau wenig mächtiger und flachgelagerter Flöze ist die mechanische Abbauförderung, die sich in den letzten Jahren in Deutschland schnell verbreitet hat. Während man sich früher nur der Schaufel bediente, um die vor Ort gewonnenen Kohlen in den in der Förderstrecke stehenden Grubenwagen zu schaffen, wozu häufig mehrfaches Umschaufeln der Kohle nötig war, benützt man jetzt hierzu die sogenannten Schüttelrutschen, die, von Druckluft angetrieben, die Kohle von der Abbaustelle am Stoße entlang ununterbrochen weiter schaffen und in die Grubenwagen schütten. Bei der Anwendung dieser Schüttelrutsche wird jede Staubaufwirbelung und Zerkleinerung der Kohle vermieden und diese bei erhöhtem Stückkohlenfall billig in die Förderwagen transportiert. Diese Schüttelrutschen können in Längen bis zu 100 m zum Kohlen- und auch zum Bergetransport verwendet werden und gestatten, bei regelmäßiger Lagerung, das Flöz mit einem einzigen geraden Kohlenstoße abzubauen, ohne die in der Herstellung, Unterhaltung und Bedienung so teuren und für die Arbeiter gefährlichen Bremsberge auffahren und benützen zu müssen. Durch den Fortfall dieser Bremsberge und der vielen kleinen Abbaustrecken lassen sich ganz erhebliche Ersparnisse und zugleich ein bedeutend schnelleres Vorrücken des Kohlenstoßes erzielen, was für die Gewinnung der Kohle und zur Verringerung des Stein- und Kohlenfalles außerordentlich vorteilhaft ist.

Es liegen also auf diesem Gebiete der Grubenförderung in Deutschland bereits recht erfolgreiche und viel versprechende Anfänge zur allgemeinen Einführung der Maschinenarbeit vor, welche die Handarbeit bereits zum großen Teile vollständig ersetzt haben. Dagegen ist die Aufgabe, die gewonnenen Kohlen mittelst Maschinen in die Förderrinnen oder die Grubenwagen einzufüllen, für den unterirdischen Betrieb noch nicht gelöst und bis jetzt noch nicht in Angriff genommen worden. Nur im Tagebau auf Braunkohlen ist, wie bereits an anderer Stelle erwähnt, die maschinelle Gewinnung und Förderung ohne Einschalten menschlicher Hilfe bereits in vollem Umfange erzielt worden. Auf dem Gebiete der Wetterführung und Wasserhaltung, die seit der Erfindung der Dampfmaschine unumstrittene Domäne der Maschine waren, sind ebenfalls erhebliche Fortschritte zu verzeichnen. Die langsam laufenden alten Volummaschinen, die Wetterpumpen, sind vollständig verschwunden und haben schnell laufenden Depressionsmaschinen, den elektrisch angetriebenen Zentrifugalventilatoren, Platz gemacht.

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 517. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/80&oldid=- (Version vom 20.8.2021)