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welche in der Regel kreisrunden Querschnitt und aufziehbaren Blechmantelverschluß besitzen. Sie wurden anfänglich mit Dampfstrahlgebläse, neuerdings aber beinahe ausschließlich mit Ventilator und Dampf betrieben. Der Rost ist meist als Korbrost ausgebildet. Um die beim Entfernen der Asche erforderlichen Stillstände zu vermeiden, sind an neueren Bauarten tassenähnliche Wasserverschlüsse angebracht. Bei diesen Gaserzeugern, welche rostlos ausgeführt werden, ruht die Kohle auf der im Wasser liegenden Asche, deren Entfernung ohne Betriebsstörung möglich ist. Die neuesten Errungenschaften auf diesem Gebiete sind die Drehrostgeneratoren, bei denen der Rost langsam rotiert, wobei die Drehbewegung nicht nur zur Auflockerung der Beschickung, sondern auch zum automatischen Austragen der Asche benützt wird. Zur Brennstoffersparnis versucht man neuerdings mit Erfolg Abgase aus anderen Betrieben, insbesondere Koksofengas und Hochofengas an Stelle des Generatorgases im Martinofen zu verwenden.

Am Martinofen wurde durch den Obermeister Schönwälder auf der Friedrichshütte eine Einrichtung angebracht, wodurch es gelang, der Flamme einen ganz bestimmten Weg vorzuschreiben. Die Haltbarkeit der Öfen wurde dadurch wesentlich gesteigert. Man war ferner bestrebt, die Gas- und Luftzuführung des Ofens zu verbessern, um nicht nur eine gute Mischung von Gas und Luft zu erzielen, sondern auch die Flamme möglichst auf das Bad zu lenken und eine vollständige und gleichmäßige Verbrennung zu erhalten. Die Wechselklappenventile von Siemens wurden meist durch die Glockensteuerungen ersetzt, ferner kamen die Konstruktionen von Forter, Fischer, Poetter u. a. zum Umsteuern von Gas und Luft in Aufnahme. Die Ofenköpfe, welche der Gefahr des Wegschmelzens am stärksten ausgesetzt sind, wurden durch Friedrich auswechselbar eingerichtet oder mit Wasser gekühlt. Zum Teil hat man getrennte, an den Stirnseiten des Ofens vollständig freistehende Luft- und Gaskanäle treten lassen, die von der Außenluft gekühlt werden. Zur Schonung des Gitterwerkes der Regeneratoren dienen Schlackensäcke, in welchen sich die Verunreinigungen ansammeln.

Im Jahre 1895 wurde das Einsetzen der Schmelzmaterialien zum ersten Male in Deutschland auf maschinellem Wege durch eine von vier Elektromotoren betriebene Chargiermaschine ausgeführt, welche von der Aktiengesellschaft Lauchhammer gebaut war. Diese auf einem Geleise vor den Ofen fahrbare Chargiermaschine ersetzte man im Anfang dieses Jahrhunderts meist durch Chargierkrane.

Zu Beginn der Berichtsperiode wurde beinahe ebenso häufig nach dem saueren als auch basischen Verfahren gearbeitet. Indes gewann die letztere Art im Laufe der Jahre die Überhand und hat schließlich das saure Verfahren weit überholt. In der Regel ist früher nach dem sog. Schrottschmelzverfahren gearbeitet worden, bei welchem bis zu 30% Roheisen mit Schmiedeeisenabfällen zur Verwendung kam. Der im Jahre 1897 in Österreich erfundene Bertrand-Thiel-Prozeß gestattete die Verarbeitung größerer Mengen Roheisen und fand auf dem Eisen- und Stahlwerk Hoesch in Dortmund Eingang. Dort wurde das Verfahren entsprechend verbessert, wodurch im Jahre 1905 der Hoeschprozeß entstand, der auch auf anderen Werken in Aufnahme kam.

Der kippbare, zuerst in Amerika konstruierte Martinofen hat sich allmählich auch in Deutschland, namentlich zum Vorfrischen von Roheisen, eingeführt. Bei diesem

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 531. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/94&oldid=- (Version vom 20.8.2021)