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Die Einrichtung und die astronomische Leitung aller dieser Stationen, sowie die Berechnung und alljährliche Veröffentlichung der Beobachtungsergebnisse gehört zu den Obliegenheiten des Potsdamer Zentralbureaus, und die Kosten der gesamten Einrichtung werden überwiegend aus dem internationalen Budget bestritten, welches sich aus den Jahresbeiträgen der sämtlichen beteiligten Kulturstaaten zusammensetzt.

Die Veränderlichkeit der geographischen Breiten, wie sie aus den jetzt schon etwas mehr als ein Jahrzehnt umfassenden Ergebnissen dieses astronomischen Breitendienstes hervorgeht, hat bisher nur Ausblicke auf engbegrenzte periodische Lagenänderungen der Drehungsachse der Erde ergeben, aber noch keine merklichen fortschreitenden Bewegungen erkennen lassen. Indessen sind auch einige kleine Schwankungen der geographischen Breiten von anderer Art, welche nicht durch Veränderungen der Lage der Drehungsachse erklärt werden können, hervorgetreten, worauf übrigens zuerst unsere japanischen Mitarbeiter aufmerksam geworden sind. Zugleich aber haben die noch nicht mit Sicherheit erklärbaren feinsten Veränderungen der geographischen Breiten, sowie die von dem ganzen Unternehmen hervorgerufenen tieferen Fragen überhaupt für die theoretische und messende Behandlung aller Probleme der Erdgestaltung und Erdbewegung neue Ausblicke eröffnet.

Die Schwerkraftmessungen und die Gezeiten des festen Erdkörpers.

In Verfolg der Mitteleuropäischen Schwerkraftsmessungen des geodätischen Institutes hat dann das Potsdamer Zentralbureau der internationalen Erdmessung auch Schwerkraftsmessungen auf allen großen Meeresflächen ausgeführt, wobei an Stelle des zur See nicht brauchbaren Pendels eine Vergleichung feinster Messungen des jeweiligen Luftdruckes an dem der Schwerkraft unterworfenen Quecksilberbarometer mit der gleichzeitigen Luftdruckmessung am Siedepunktsthermometer getreten ist.

Diese Schwerkraftsmessungen durch Hecker auf den Meeresflächen haben nahe Übereinstimmungen mit den in den Festländern gemessenen Werten und den bisherigen gesichertsten Annahmen über die Erdgestalt und die Massenverteilung ergeben. In betreff der Massenverteilung über oder unter einem mittleren Verlauf der Erdkruste haben die immer eingehender, besonders in gebirgigen Gegenden, erforschten Abweichungen der Schwerkraftsintensität und ebenso der Lotrichtungen von demjenigen Verlauf, der nach dem augenscheinlichen Sachverhalt erwartet werden durfte, zu gewissen Theorien geführt, deren gemeinsame Prüfung, auch mit Hilfe der Geologie, eine der wichtigsten Aufgaben der internationalen Erdmessung bilden wird.

Eines der neuesten Forschungsgebiete, mit dem sich nun auch vorzugsweise das geodätische Institut beschäftigt, und auf welches auch die oben erwähnten Nebenerscheinungen im Gebiete der Veränderlichkeit der Breiten hingewiesen haben, besteht in den sogenannten Gezeiten des festen Erdkörpers durch die Wirkungen des Mondes und der Sonne. In den letzten Jahren hat man in den unterirdischen Beobachtungsräumen des Potsdamer Telegraphenberges, auf welchem das geodätische Institut, sowie das astrophysische Observatorium und das meteorologisch-magnetische Observatorium domiziliert

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1262. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/133&oldid=- (Version vom 20.8.2021)