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sind, den Nachweis erbracht, daß der feste Erdkörper, als Ganzes, unter den Anziehungswirkungen des Mondes und der Sonne Gestaltänderungen erleidet, welche trotz ihrer Kleinheit für sehr feine Messungen mit dem sogenannten Horizontalpendel usw. deutlich erkennbar sind, welche aber darauf schließen lassen, daß der Erdkörper als Ganzes einen Grad sogenannter „Starrheit“ besitzt, welcher merklich größer ist als der Starrheitsgrad des Stahls. Entsprechende Untersuchungen hat das geodätische Institut jetzt auch mit Einrichtungen ähnlicher Art in dem Bergwerk zu Freiberg in Sachsen veranstaltet.

Diese kleinen Gestaltänderungen des Erdkörpers enthalten natürlich auch die mit der Ebbe und Flut der Wasserbedeckungen der festen Oberfläche verbundenen Veränderlichkeiten der Druckwirkungen der Wasserbedeckung und zugleich in den von der Sonne abhängigen Gliedern der Gesamtwirkung auch die Wirkungen der Wärmestrahlung der Sonne.

Die Gesamtergebnisse aller solchen feinen Messungen und ihrer theoretischen Enträtselungen sind natürlich auch für die Astronomie von feinster Bedeutung. Es wird infolge dieser neueren Messungsergebnisse, ebenso wie auf Grund der beobachteten Veränderlichkeit der Lage der Drehungsachse im Erdkörper erforderlich, auch alle diejenigen astronomischen Formeln einer gründlichen Revision und Neuberechnung zu unterziehen, welche die Einwirkungen des Mondes und der Sonne auf die Lage der Drehungsaxe im Raume bei verschwindend kleiner Lagenänderung im Erdkörper zum Gegenstande haben und schon seit Jahrtausenden am Sternenhimmel beobachtet sind, wenngleich sie erst in den letzten beiden Jahrhunderten tiefer erkannt und durch Verbindung der Gravitationslehre mit der Theorie der Erdgestalt, aber unter der Annahme der Starrheit derselben berechenbar gemacht worden sind.

Erdbebenwellen und drahtlose elektrische Wellen.

Für alle diese höchst interessanten Fragen, welche die Veränderungen der Erdgestalt und der Erdbewegung jetzt zum Gegenstand haben, werden diejenigen in Deutschland auch besonders kräftig in die Hand genommenen Beobachtungen, welche die Fortpflanzung der Erdbebenwellen in der Erdkruste und sogar durch das Erdinnere hindurch zu erforschen suchen, von großer Bedeutung sein, und für die feinsten Zeitmessungen, um die es sich dabei handeln wird, kommt auch Hilfe von den drahtlosen elektrischen Wellen, welche die Atmosphäre mit der Geschwindigkeit des Lichtes durcheilen und wohl auch mit Begleiterscheinungen in der Erdkruste und dem Erdinnern verbunden sind und von den Erdströmen und Radiationen in gewissem Grade beeinflußt werden können. Auch auf diesem Gebiete, insbesondere auch in betreff der Geschwindigkeit der Fortpflanzung dieser elektrischen Wellen und ihrer Benutzung für die feinsten Bestimmungen und stetigen Kontrollierungen der geographischen Längenunterschiede hat deutsche Astronomie und Geodäsie bereits eifrig mitgearbeitet.

Die Messungsarbeit im Gebiete der Fixsternwelt.

Die rein astronomische, von der Erforschung der Erde unabhängige und nur durch die Strahlenbrechungswirkungen der Erdatmosphäre beeinflußte, übrigens in

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1263. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/134&oldid=- (Version vom 20.8.2021)