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Erscheinungen, wobei aber der weitergehenden Verschärfung der feinsten Wahrnehmungen durchaus keine so engen Grenzen gesetzt sind, wie bei den Winkelmessungen. Für die Verfeinerung und Sicherung dieser Messungen der Radialbewegungen hat aber zugleich die Photographie, ebenso wie für die Erweiterung und Vervielfältigung der Messungen der Ortsveränderungen der Gestirne an der Himmelsfläche, außerordentlich wirksame Hilfe geleistet, insbesondere auch durch die Kultivierung der Dauerphotographie. Die Frau des englischen Astronomen Huggins war es, die zuerst außerordentliche Verstärkungen feinster photographischer Sternaufnahmen erreicht hatte, indem sie durch ein stetiges Zusammenwirken von Auge und Hand mit einer der Drehung der Erde entgegenwirkenden Uhrwerkbewegung der Fernrohre die Abbildungen von Stellen der Himmelsfläche sowohl im Fernrohr für das Auge, als auch in einem genau mitbewegten Fernrohr auf der photographischen Platte stundenlang an einer und derselben Stelle festhielt und dadurch in der lichtempfindlichen Schicht der Platte jeden einzelnen leuchtenden Punkt sich auf einen minimalen Flächenelement mit schärfster Sonderung und stärkster Summation der einbohrenden Wirkungen abbilden ließ. Hierdurch wurden zunächst die Sichtbarkeitsgrenzen der Gestirne außerordentlich erweitert.

Die Sterne, die für das unbewaffnete Auge am mondlosen, dämmerungs- und dunstfreien Nachthimmel für das unbewaffnete Auge an der Grenze der Sichtbarkeit sind, werden als Sterne 6. Größe bezeichnet, und jeder Stern, dessen Lichtstrahlung 4/10 von derjenigen der Sterne 6. Größe beträgt, wird zur nächsthöheren, also zur 7., um eine Größenklasse schwächeren Sterngröße gerechnet, und so geht es fort von Größenklasse zu Größenklasse. In unsern stärksten Fernrohren können wir mit dem Auge Sterne etwa bis zur Größenklasse 15 eben noch erkennen. In den Himmelsaufnahmen mittels der Dauerphotographie kommen wir aber noch um mehrere Größenklassen weiter, so daß die Grenze sich noch gar nicht abschließend angeben läßt. Wir kommen also, wenn wir in der uns umgebenden Sternenwelt annehmen dürfen, daß im großen und ganzen die lichtschwächeren Sterne die entfernteren sind, durch die dauerphotographischen Aufnahmen der ganzen Himmelsfläche, die jetzt im Werke sind, immer umfassender und weitreichender allmählich zur Kenntnis der Orte und Ortsveränderungen von so weit entfernten Sternen, daß wir dadurch immer mehr Ruhepunkte gewinnen, an denen unsere eigenen Bewegungen nur als unmerklich kleine Winkelbewegungen erscheinen, während zugleich die wirklichen Ortsveränderungen dieser fernsten Sterne für uns ebenso nur unter unmerklich kleinen Winkeln gesehen werden. In den Ortsveränderungen dieser fernsten Sterne gegen die Fixpunkte werden hiernach eigentlich nur noch die Lagenänderungen dieser letzteren zutage treten.

Die spektroskopischen Doppelsterne als sogenannte „Veränderliche Sterne“.

Viel unmittelbarer bedeutsam und förderlich ist aber die Dauerphotographie für die Sicherung der Feinheit und Eindringlichkeit der Messungen der Radialbewegungen der Sterne mittels der spektralen Zerlegung und Wellenlängenmessung ihres Lichtes. Und hierfür sind die obenerwähnten Potsdamer Messungsreihen ein entscheidender

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1269. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/140&oldid=- (Version vom 20.8.2021)