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auf verwandten Gebieten ermöglichte und so die instrumentellen Unterlagen schuf für die drahtlose Telegraphie, soll weiter unten ausgeführt werden.

Becquerelstrahlen.[1]

Wir kehren zu den Röntgenstrahlen zurück. Daß Röntgenstrahlen mit den Kathodenstrahlen eng verknüpft sind, daß sie aber dennoch von ihnen grundverschieden sind, erkannte man bald nach Röntgens Entdeckung. Ab- und Irrwege zur Erklärung der Röntgenstrahlen wurden eingeschlagen, aber auch diese führten zu Zielen, die man vorher nicht geahnt hatte. Im besonderen glaubte Becquerel, daß die Fluoreszenz eine notwendige Begleiterscheinung, ja vielleicht die Ursache für die Röntgenstrahlen sei. Daher untersuchte er Körper, die sich durch hohe Fluoreszenz auszeichnen, daraufhin, ob sie auch noch nach der Bestrahlung mit Röntgenstrahlen auf die photographische Platte wirken. Als er 1896 ein Stück eines Uransalzes, das vorher bestrahlt worden war, auf eine eingewickelte photographische Platte legte und durch das Papier hindurch auf die Platte wirken ließ, beobachtete er in der Tat eine photographische Wirkung. Es stellte sich dann heraus, daß dasselbe Uransalz die Wirkung zeigt, auch wenn es nicht vorher bestrahlt worden ist, es muß also selbständig Strahlen aussenden, die den Röntgenstrahlen ähnlich sind.

Curie.-Radium.

Das Hauptverdienst in der weiteren Untersuchung der Becquerelschen Uranstrahlen, die auch Becquerelstrahlen[1] genannt wurden, gebührt dem französischen Forscherpaar Curie. Diesem gelang es 1899, aus dem Erz, aus dem das Uran gewonnen wird, dem besonders in Joachimstal gefundenen Uranpecherz, zwei Körper von außerordentlich hohem selbständigen Strahlungsvermögen herzustellen. Diese beiden Körper sind das Polonium und das Radium, deren Untersuchung seit der Jahrhundertwende unsere Anschauungen über die Konstitution der Materie wesentlich modifiziert und zu den wichtigsten Aufschlüssen geführt hat. Die Radiumforschung ist heute international geworden. Wollte man die Namen der Forscher, die auf diesen Gebieten fruchtbringend tätig gewesen sind, aufzählen, so würden sämtliche Nationen dabei vertreten sein. Auch deutsche Forscher haben bei der Untersuchung der Radiumstrahlung Großes geleistet. Der scheinbare Widerspruch gegen das Energiegesetz, nach welchem keine Energie aus Nichts geschaffen werden kann, ist in erster Linie von dem englischen Physiker Rutherford beseitigt, der die Quelle für die von den radioaktiven Körpern ausgesandte Strahlung in dem selbständigen und unablässig erfolgenden Zerfall der Atome des Radiums suchte und fand. Die Zerfallsprodukte bestehen zum Teil aus festen Körpern. Der Zerfall geschieht in der Weise, daß sich unter Aussendung von Strahlen, die zum Teil korpuskulare Natur haben, der Reihe nach neue Zerfallsprodukte von mehr oder weniger großer Lebensdauer bilden. Man bezeichnet wohl diese Zerfallsprodukte mit dem gemeinsamen Namen der „Radium-Familie“. Gerade an der Fixierung der einzelnen Mitglieder dieser Familie hat die deutsche Forschung lebhaften Anteil gehabt. Schon Madame Curie hatte nachgewiesen, daß vom Radium drei verschiedene Strahlen-Arten, die Alpha-, Beta- und Gamma-Strahlen von ganz verschiedenem Charakter ausgehen. Die Alpha-Strahlen sind Strahlen korpuskularer Natur,


  1. a b Druckfehlerberichtigung im 3. Band: lies „Becquerel“ statt „Becquerell“
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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1280. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/151&oldid=- (Version vom 20.8.2021)