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Physiker Korn zur elektrischen Fernphotographie und zum elektrischen Fernsehen in Angriff genommen hat, und viele andere einzelne Beobachtungen, die vorläufig nur den Physiker interessieren, können nur erwähnt werden.

Einflüsse der Naturwissenschaft auf die technische Entwicklung.

In welcher Weise physikalische Forschungsergebnisse und das Studium der Naturerscheinungen das moderne Leben in den letzten Jahrzehnten beeinflußt und umgestaltet haben, sieht man an dem Ausbau der Elektrotechnik, die sich allmählich fast vollständig von ihrer Mutterwissenschaft, der Physik, losgelöst hat, obgleich ihre Grunderscheinungen in der wissenschaftlichen Physik studiert worden sind und noch weiter studiert werden. Man denke ferner an die Telegraphie und an die Telephonie, an den Kinematographen und an den Phonographen. Sämtliche modernen Verkehrsmittel sind uns erst zugänglich und für uns nutzbar gemacht worden, nachdem ihre physikalischen Grundlagen untersucht worden sind. Ja selbst der modernste Zweig des Verkehrswesens, der die Beherrschung der Luft zum Ziel hat, erforderte vorher ein eingehendes Studium der Widerstandsverhältnisse der Luft. Die Flugmaschinen, deren Anfänge auf die Versuche Lilienthals zurückgeführt werden müssen, benutzen physikalische Prinzipien. Wenn wir heute mit berechtigtem Stolze eins der großen Zeppelinschen lenkbaren Luftschiffe in sicherer Fahrt über unseren Häuptern dahin schweben sehen, so möge uns zum Bewußtsein kommen, daß das Luftschiff getragen wird nach physikalischen Gesetzen des Archimedischen Prinzips, daß es getrieben wird durch Motoren, in denen chemische Energie in Wärme und diese wieder in Bewegungsenergie umgewandelt wird, daß eine genaue Berechnung des Luftwiderstandes notwendig gewesen ist, damit unter seiner Benutzung der Luftwiderstand selbst überwunden werden kann.

Der Weltäther.

Im Mittelpunkt des ersten Teiles unserer Übersicht stand die Beziehung zwischen Elektrizität und Licht. Wir haben versucht darzustellen, daß beide Erscheinungen wesensgleich sind. Hieraus folgt, daß sie auch beide denselben Träger haben müssen, wenn ein solcher überhaupt existiert. Dieser Träger, den man seit langem Äther nennt, muß den ganzen Weltenraum erfüllen. Die Frage ist angeregt worden, ob der Weltäther im Raume ruht oder ob etwa eine die Erde umgebende Ätherhülle sich mit ihr fortbewegt. Diese Frage hat zu eigentümlichen Widersprüchen geführt, die H. A. Lorentz zuerst durch die Annahme zu lösen versucht hat, daß eine Länge keine konstante Größe ist, sondern daß sie nach der Art ihrer Bewegung im Raume kleiner und größer wird. Im weiteren Verfolg dieser Frage ist dann von Einstein das sog. Relativitätsprinzip aufgestellt worden, das dem Zeitbegriff ebenso nur relative Existenz beimißt, wie man eine Bewegung nur relativ zu einer anderen beobachten kann. Von der Ansicht, daß die stoffliche Materie vielleicht gar keine reale Existenz habe, ist oben schon die Rede gewesen. Man neigt dazu, ein materielles Gebilde, etwa einen materiellen Punkt nur als ein Energiezentrum, also als den Ausgangspunkt einer gewesen Energiemenge anzusehen. Endlich wird neuerdings der gesamten

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1292. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/163&oldid=- (Version vom 20.8.2021)