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Sauerstoff.

Seit Aufstellung der Valenztheorie wurde dem Sauerstoff bis in die neueste Zeit stets eine konstante Wertigkeit zugeschrieben. Die Engländer Collie und Tickle sprachen 1899 zuerst die Ansicht aus, daß in einer Reihe additioneller organischer sauerstoffhaltiger Verbindungen mit Säuren sich dieser eben so vierwertig verhalte wie der Stickstoff in den Ammoniumsalzen fünfwertig. Sie bezeichneten daher diese Substanzen als Oxoniumsalze. A. v. Baeyer und Villiger entwickelten die Oxoniumtheorie ausführlicher und suchten sie durch eine große Zahl neuer Beobachtungen fester zu begründen. Neben die alte ringförmige Formel des Ozons trat eine neue, in der ein vierwertiges mit zwei zweiwertigen Sauerstoffatomen in Bindung steht. Seit 1903 beschäftigt sich Harries mit der Einwirkung von Ozon auf ungesättigte Kohlenstoffverbindungen. Zur Darstellung eines 11–14% ozonhaltigen Sauerstoffs bedient er sich eines neuen sehr wirksamen Ozonisators der Firma Siemens und Halske.

Wasser, Wasserstoffsuperoxyd.

Tammann, der die Eisbildung bei niederen Temperaturen bis –180° und einem bis 4000 Atmosphären gesteigerten Druck untersuchte, fand zwei weitere Arten von Eis auf, die dichter als Wasser sind. Wolffenstein lehrte 1896 reines Wasserstoffsuperoxyd durch Destillation unter vermindertem Druck bereiten; es siedet unter 26 mm Quecksilberdruck bei +69° und wird bei –2° fest.

Schwefelwasserstoffe und andere Schwefelverbindungen.

Wir gehen zu den Verbindungen des Schwefels über. Aus dem rohen Hydropolysulfid gelang es 1908 Ignaz Bloch und Fritz Höhn durch fraktionierte Destillation unter vermindertem Druck Hydrodisulfid und Hydrotrisulfid rein zu gewinnen. Moissan und Lebeau entdeckten 1900 das bei gewöhnlicher Temperatur gasförmige, auffallend beständige Schwefelhexafluorid, das eine neue Stütze für die maximale Sechswertigkeit des Schwefels darstellt. Das 1898 eingerichtete Kontaktverfahren zur Gewinnung von Schwefelsäureanhydrid verdankt man einer Jahre lang fortgesetzten mustergültigen Experimentalarbeit von R. Knietsch, einem Chemiker der Badischen Anilin- und Sodafabrik, über die Bildungs- und Spaltungsgrenzen von Schwefeltrioxyd. Festes hydroschwefligsaures Natrium, das als Reduktionsmittel für Indigo und andere Küpenfarbstoffe, sowie als Ätzmittel für Azofarbstoffe große technische Bedeutung besitzt, lehrten August Bernthsen und Bazlen bereiten. Auf Grund seiner Untersuchungen faßt Binz die hydroschweflige Saure als gemischtes Anhydrid der schwefligen Säure und der hypothetischen Sulfoxylsäure auf. H. Caro entdeckte 1898 durch Einwirkung von Schwefelsäure auf überschwefelsaure Salze die Sulfomonopersäure. A. v. Baeyer und Villiger erhielten sie 1899 durch Oxydation von Schwefelsäure mit Wasserstoffsuperoxyd und erkannten in ihr ein eigenartig wirkendes Oxydationsmittel für manche Klassen organischer Substanzen. Schon 1896 hatte H. Klinger auf die Möglichkeit des Bestehens der Caroschen Säure hingewiesen. Das Sulfamid lehrte W. Traube 1893 kennen.

Stickstoffwasserstoffe.

Überraschende Entdeckungen förderten die Stickstoffchemie. Haber gelang die Synthese des Ammoniaks aus freiem Stickstoff und freiem Wasserstoff unter Vermittlung fein zerteilten Eisens bei

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1301. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/172&oldid=- (Version vom 20.8.2021)