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Lanthan lehrte 1902 Muthmann kennen. Neuerdings scheint das Aluminiumnitrid für die Gewinnung von Ammoniak technische Bedeutung zu erlangen.

Metallkarbide.

Wie bei der Reduktion der Oxyde durch Kohlenstoff im elektrischen Ofen bereits mitgeteilt wurde, entstehen dabei leicht Metallkarbide. So entdeckte E. G. Acheson 1893 in Amerika, als er auf Edisons Anregung im elektrischen Ofen durch Auflösung von Kohlenstoff in geschmolzenem Aluminiumsilikat künstliche Diamanten herzustellen versuchte, das Siliziumkarbid oder Karborundum, das infolge seiner außerordentlichen Härte als Bohr- und Schleifmittel verwendet wird. Karborundum und die Karbide verwandter Elemente entstehen durch unmittelbare Vereinigung der Elemente mit Kohlenstoff im elektrischen Ofen, in dem Moissan eine größere Anzahl von ihnen darstellte: Borkarbid, Chromkarbid, Wolframkarbid, von Alkalikarbiden das Lithiumkarbid, von Erdalkalikarbiden das wichtige, von Wöhler 1862 entdeckte Kalziumkarbid, ferner Baryum- und Strontiumkarbid, von Erdmetallkarbiden das Cer-, Lanthan-, Yttrium-, Thorium- und das Aluminiumkarbid, das Mangankarbid und das Urankarbid.

Die Karbide mögen den Übergang zur Erörterung der Fortschritte der organischen Chemie bilden. Für den Aufbau anderer Kohlenstoffverbindungen sind allerdings nur die Karbide von Bedeutung, die sich leicht in die entsprechenden Wasserstoffverbindungen umwandeln lassen, also die mit Wasser Azetylen und Methan gebenden Karbide. Am wichtigsten ist das Kalziumkarbid, das technisch zur Darstellung des für die Beleuchtungsindustrie wichtigen Azetylens und durch Erhitzen im Stickstoffstrom zur Bereitung des als Düngemittel wertvollen Kalkstickstoffs, dem Kalziumsalz des Zyanamids, verwendet wird. Das Aluminiumkarbid gibt dagegen, mit Wasser zersetzt, glatt Methan.

Entwicklung der organischen Chemie.

Bei der Schilderung der Fortschritte der anorganischen Chemie haben wir nur wenige Forschungsrichtungen verfolgen können. Noch viel schwieriger ist die Auswahl in der organischen Chemie bei der überwältigenden Fülle neuer Entdeckungen. Hier wird das Gesamtbild noch mehr Lücken zeigen müssen.

Einer besonderen Aufmerksamkeit der Naturforscher erfreuten sich von jeher die medizinisch oder technisch wertvollen Pflanzen- und Tierstoffe. Seit der 1828 erreichten künstlichen Darstellung des Harnstoffs durch Wöhler steckte sich die organische Chemie das Ziel, auch die am verwickeltsten zusammengesetzten Tier- und Pflanzenstoffe aufzubauen. Dem Aufbau oder der Synthese ging der Abbau, die Analyse voraus, die auf Grund der Valenztheorie einen Einblick in die Konstitution, die Bindungsweise der die Moleküle zusammensetzenden Atome ermöglichte und so die theoretischen Voraussetzungen für die Synthese schuf. War durch die Synthese die Konstitution festgestellt, so handelte es sich darum, der betreffenden Tier- oder Pflanzensubstanz, sowie ihren Umwandlungsprodukten den richtigen Platz im System der Kohlenstoffverbindungen anzuweisen. Wenn sich auch die organische Chemie ursprünglich an der chemischen Untersuchung der Pflanzen-und Tierstoffe entwickeln mußte, so wuchs doch besonders nach Aufstellung der Valenztheorie und der Theorie der aromatischen Substanzen durch Aug. Kekulé die Zahl der

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1305. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/176&oldid=- (Version vom 20.8.2021)