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Ideen wurde in dem salzsauren Diamidodioxyarsenobenzol eine Verbindung aufgefunden, in der Ehrlich und der Japaner Hata ein sehr wichtiges Medikament gegen Syphilis erkannten, das unter dem Namen Salvarsan Ehrlich-Hata 606 weltbekannt geworden ist.

Neue Umwandlungsreaktionen.

Schon öfter war von der außerordentlich großen Zahl der künstlich dargestellten Kohlenstoffverbindungen die Rede, der gegenüber die Zahl der in der Natur vorkommenden organischen Substanzen gering ist. Wie rasch sich die Kohlenstoffverbindungen vermehren, mögen einige statistische Mitteilungen veranschaulichen; sie betrugen 1883 etwa 20 300, 1899 schon 74 200 und sind 1910 auf 144 000 angewachsen. Heute werden sie über 160 000 betragen und man kann berechnen, daß seit 1888 etwa 133 000 organische Substanzen künstlich dargestellt worden sind. Eine jährliche Zunahme ist bis jetzt stets in wachsendem Maße eingetreten. Man wird kaum fehlgreifen mit der Annahme, daß im Durchschnitt zurzeit täglich etwa 20 neue organische Substanzen aufgefunden werden, ein Ende ist nicht abzusehen und dazu kommen die Fortschritte der anorganischen Chemie! Die Chemie verdankt diese Fortschritte teils der weiteren Anwendung und Entwicklung älterer Reaktionen, teils der Auffindung neuer Arbeitsmethoden, die es ermöglichen, früher nicht oder nur schwierig zugängliche Substanzen zu gewinnen. Wenigstens einige dieser neuen Reaktionen sollen in nachstehendem behandelt werden.

Die Entdeckung der katalytischen Übertragung des Wasserstoffs mittels fein verteilten Nickels durch P. Sabatier und J. B. Senderens in Toulouse 1897 gestattet es, die früher nur außerordentlich schwer reduzierbaren aromatischen Substanzen in glatter Weise in hydroaromatische Verbindungen umzuwandeln, die wegen ihrer nahen Beziehungen zu den Terpenen und Kampherarten besonders bemerkenswert sind und die Grundlage für zahlreiche auf diesem Gebiete ausgeführte Synthesen bilden. Den Bemühungen von C. Paal und C. Amberger, R. Willstätter, A. Skita, dem Russen S. Fokin gelang es in den letzten Jahren, diese nur bei höheren Temperaturen verlaufenden Reaktionen durch Ersatz des Nickels durch fein zerteiltes Platin oder Palladium, letzteres auch in kolloidalem Zustand verwendet, zu einer noch bei tiefen Temperaturen verlaufenden Reaktion umzugestalten. Die Technik hat sich diese Methode ebenfalls zunutze gemacht, um die wohlfeilen flüssigen Fette, das Leinöl, den Waltran und andere durch Anlagerung von Wasserstoff in wertvollere feste Fette umzuwandeln. Erwähnt seien auch die von J. Tafel auf elektrolytischem Wege von 1898 an bewirkten Reduktionen, die besonders bei der Reduktion von Alkaloiden und Substanzen der Harnsäuregruppe vortreffliche Dienste leisteten.

Die den Reduktionsmethoden gewissermaßen entgegengesetzten Reaktionen der Oxydation haben durch die von C. Harries seit 1903 untersuchte Wirkung des Ozons auf Substanzen mit doppelten Kohlenstoffbindungen eine bedeutsame Bereicherung erfahren. Es bilden sich unter Anlagerung von Ozon an die doppelt gebundenen Kohlenstoffatome Ozonide, die sich an der Stelle der Sauerstoffanhäufung leicht spalten unter Bildung sonst schwer zugänglicher Aldehyde und Ketone. Aus dem Ozonid des Parakautschuks entsteht so der Aldehyd der Lävulinsäure, eine Reaktion, die für die Konstitutionsbestimmung

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1313. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/184&oldid=- (Version vom 20.8.2021)