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J. Thiele 1909 kennen. Durch die Untersuchungen von Th. Curtius und von J. Thiele und ihren Schülern sind zahlreiche aliphatische Hydrazin- oder Diamid-, sowie Diimidabkömmlinge bekannt geworden. Die Grundsubstanz des von Th. Curtius entdeckten Diazoessigesters, das Diazomethan, fand 1894 von Pechmann auf. Aliphatische Isoazotate bereitete J. Thiele 1910, aliphatische Diazoamidoverbindungen Dimroth. Die aromatischen Isodiazotate entdeckten C. Schraube und C. Schmidt 1894. Diese Beobachtung bildete dem Ausgangspunkt für eingehende Untersuchungen über die Isomerien der aromatischen Diazoverbindungen von E. Bamberger und von A. Hantzsch. 1893 stellten E. Bamberger und Ludwig Storch die den Diazoverbindungen nahe verwandte Diazobenzolsäure dar. 1894 zeigte E. Bamberger, daß bei der Reduktion von Nitrobenzol als neues Zwischenprodukt das Phenylhydroxylamin entsteht. Merkwürdig sind die von Staudinger 1905 entdeckten, höchst reaktionsfähigen Ketene. Nahe verwandt mit den Ketenen ist das von Diels und O. Wolf 1908 aus Malonsäure und ihrem Äthylester erhaltene Kohlensuboxyd, neben den altbekannten Substanzen Kohlenoxyd und Kohlendioxyd eine dritte, nur aus Kohlenstoff und Sauerstoff bestehende Verbindung. Dem Kohlensuboxyd ganz ähnlich im Verhalten ist, wie Stock und Prätorius kürzlich zeigten, das 1893 von Lengyel in Budapest entdeckte Kohlensubsulfid. Eine vierte nur aus Kohlenstoff und Sauerstoff bestehende Verbindung ist das neuerdings von Hans Meyer und Karl Steiner dargestellte Mellithsäureanhydrid. Eine Eigenschaft der einfachsten Kohlenstoffsauerstoffverbindung, des Kohlenoxyds, die Ludwig Mond, Langer und Quincke 1890 entdeckten, ist seine Fähigkeit, sich mit Nickel zum flüchtigen Kohlenoxydnickel zu verbinden. Bildung und Zersetzung dieser Substanz ist die Grundlage eines Kreisprozesses zur technischen Gewinnung des Nickels geworden.

Benzolringbildung und -spaltung.

Für die karbozyklische Chemie sind besonders wichtig die Ringbildungs- und Ringspaltungsreaktionen. Die von A. Baeyer 1885 aufgestellte sogenannte Spannungstheorie ließ die größere Ringfestigkeit der aus fünf oder sechs Kohlenstoffatomen gegenüber der geringeren Beständigkeit der aus drei oder vier, sowie der aus mehr als sechs Kohlenstoffatomen bestehenden Ringsysteme verständlich erscheinen; sie bildet immer noch eine vortreffliche Arbeitshypothese. Hierfür sind insbesondere die von J. Wislicenus, W. H. Perkin, Knoevenagel, Vorländer, Dieckmann und G. Blanc in Paris aufgefundenen Umwandlungsreaktionen azyklischer Substanzen in karbozyklische einleuchtende Beispiele. Von allen karbozyklischen Substanzen hat das Benzol, seitdem 1865 Aug. Kekulé seine bekannte Formel dafür aufgestellt hatte, bis in die neueste Zeit immer wieder Betrachtungen über die Bindungsverhältnisse und die Valenzverteilung der sechs den Benzolring bildenden Kohlenstoffatome hervorgerufen. Besonders bemerkenswert sind die von A. Baeyer auf Grund seiner Untersuchung der Hydroverbindungen des Benzols und der Phtalsäuren angestellten Betrachtungen, die ihn zur Verteidigung der sogenannten zentrischen Formel des Benzols veranlaßten (1888–1894). Ausgehend von A. Baeyers bei der Reduktion der Terephtal- und Muconsäure festgestellten Tatsachen entwickelte 1899 J. Thiele seine Hypothese von den Partialvalenzen und der Valenzverteilung bei konjugierten Doppelbindungen, Anschauungen, die unter anderem die Additionsträgheit

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1315. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/186&oldid=- (Version vom 20.8.2021)