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Auch die Kenntnisse der Tropenkrankheiten sind erheblich gefördert worden. Es wurden als Erreger von mehreren Tier- und Menschenkrankheiten im Blute die Trypanosomen entdeckt; das Trypanosoma gambiense verursacht die gefürchtete Schlafkrankheit, welche meistens durch Biß einer Fliege (Glossina palpalis) übertragen wird; die Spirochäten des Rückfallfiebers (Febris recurrens) wurden genauer bekannt; die Pest, die Lepra, das gelbe Fieber wurden eingehend studiert und durch die größere Kenntnis der Bekämpfung mehr zugänglich. Vor allem gelang das auch bei jener Tropenkrankheit, welche weite Gebiete unbewohnlich macht, der Malaria. Gelingt es, sie zum Schwinden zu bringen, dann sind für Tausende von Menschen große Landstrecken und damit Erwerbs- und Lebensbedingungen gewonnen. Die Malaria wird durch kleine Parasiten (entdeckt von dem französischen Militärarzte Dr. Laveran) verursacht; sie gelangen durch den Stich einer Mückenart, der Anopheles claviger in das Blut, befallen dort die roten Blutkörperchen und machen in ihnen einen ungeschlechtlichen Entwicklungsgang, die Schizogonie durch. In der Mücke selbst vollzieht sich eine geschlechtliche Entwicklung, die Sporogonie. Man unterscheidet einen Tertian-, Quartan- und kleinen Tropen- oder Perniziosaparasiten. Das spezifische Heilmittel gegen die Parasiten ist das Chinin.

Das Studium des Blutserums mit Hilfe der bakteriologischen Methoden hat eine neue Wissenschaft, die Serologie geschaffen, welche sowohl in diagnostischer wie therapeutischer Beziehung Glänzendes geleistet. Es kann auf die theoretische Seite, welche auf der von Ehrlich aufgestellten „Seitenkettentheorie“ beruht, hier nicht eingegangen werden: es seien nur folgende Punkte hervorgehoben, in welchen die Praxis Nutzen daraus gezogen hat.

Bedeutung der Serologie für die praktische Medizin.

Bei natürlicher Infektion oder durch Injektion von Bakterien entstehen Substanzen im Blutserum, welche die Eigenschaft haben, Bakterien zusammenzuballen (zu „agglutinieren“) und unbeweglich zu machen, die sogenannten „Agglutinine“. Mit ihrer Hilfe ist es möglich, Bakterien genauer auseinanderzuhalten, deren Unterscheidung sonst große Schwierigkeiten macht; vor allem ist dadurch die Diagnose des Typhus und typhöser Krankheiten, der Ruhr, der Cholera u. a. sehr viel schneller und besser möglich geworden.

Durch Injektion von Eiweiß ins Blut entstehen Substanzen, welche die Eigenschaften haben, das betreffende Eiweiß, in dem sie erzeugt sind, auszuflocken; sie werden Präzipitine genannt. Jede Tierart hat ihr arteigenes Eiweiß. Die Präzipitinereaktion hat die größte Bedeutung zum Nachweis von Blut für forensische Zwecke gewonnen, da es mit ihrer Hilfe gelingt, selbst nach Jahrzehnten aus einem Blutfleck die Herkunft des Blutes zu erkennen. Die Bakteriolysine sind Substanzen, welche nach Injektion von bestimmten Bakterien z. B. von Cholerabazillen entstehen; sie haben die spezifische Eigenschaft die betreffenden Bakterien aufzulösen und werden zur ihrer genauen Identifizierung benutzt.

Die Hämolysine sind Substanzen, welche sich im Blutserum von Tieren nach Einspritzung von artfremden Erythrozyten bilden; sie haben die Eigenschaft, den Blutfarbstoff

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1357. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/228&oldid=- (Version vom 20.8.2021)