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Bau von Röntgenapparaten beschäftigt. Induktorien von 30–50–70 cm Funkenlänge sind heute überall in Deutschland in guter vollkommener Ausführung zu haben.

Unterbrecherlose Apparate von einer Stabilität sind konstruiert, daß man sagen kann, aus dem Röntgenapparat ist eine Röntgenmaschine geworden, welche ungeahnte Energiemengen liefert. Die Röntgenröhre ist aus unscheinbaren Anfängen ein Kunstwerk der Glasbläserkunst geworden, welches anstandslos den Durchgang großer Elektrizitätsmengen verträgt. Durch Verbesserung der Röntgenapparate wie der Röhren ist es heute möglich in 1/101/100 Sekunde Aufnahmen von Brust- und Bauchorganen zu machen, welche im ersten Jahre nach der Entdeckung Röntgens unmöglich erschienen.

Die Röntgendiagnostik ist heute so ausgebaut, daß sie uns Einblicke, man kann sagen mit einem neuen Sinne in den Körper gestattet, die Erkennung der Krankheiten ist dadurch beträchtlich erleichtert. Die Lungentuberkulose, die Lungengeschwülste, die Eiterungen in den Lungen, viele Krankheiten der Luftröhre und Bronchien sind sowohl bei der Durchleuchtung, wie bei der Photographie vorzüglich zu erkennen. Zur Bestimmung der Herzgröße ist ein Verfahren, die Orthodiagraphie ausgearbeitet worden, welches die genauste aller zurzeit bekannten Methoden ist. (Moritz.) Es konnten damit hochinteressante Fragen der Herzpathologie gelöst werden, welche früher zweifelhaft, strittig oder unbekannt waren, so ist nachgewiesen worden, daß durch eine einmalige starke körperliche Anstrengung das Herz nicht vergrößert wird, im Gegenteile, es wurde bei Rennfahrern und Schwimmern nach starker sportlicher Anstrengung eine deutliche Verkleinerung konstatiert. (DelaCamp, Dietlen). Bei Krankheiten der Gefäße, besonders der Aorta ist die Röntgenuntersuchung häufig unentbehrlich, ebenso bei Steinleiden der Nieren, welches anderen diagnostischen Methoden schwer zugänglich ist. Die neueste Errungenschaft der letzten Jahre ist die Röntgenuntersuchung des Magen-Darmkanals. (H. Rieder-München u. a.) Gibt man Menschen Speisen, z. B. Kartoffelbrei, oder Kakao-Mondaminsuppe, welchen ein für Röntgenstrahlen undurchsichtiges Mittel, wie chemisch reines Bariumsulfat oder Bismuthum carbonicum zugesetzt ist, zu essen, so ist man imstande, sich bei der Röntgenuntersuchung sowohl die Speiseröhre, wie den Magen und Darm sichtbar zu machen. Es gelingt, Krebserkrankungen, Lage und Formveränderungen zu erkennen; bei der Durchleuchtung des Magens sieht man in erstaunlicher Deutlichkeit die Bewegungen des Magens und vermag in krankhaften Zuständen daraus wichtige Schlüsse zu ziehen. Die Knochenerkrankungen der Extremitätenknochen, wie der Wirbelsäule des Brustkorbs und Schädels sind auf der Röntgenphotographie trefflich zu erkennen.

Biologische Einwirkungen der Röntgenstrahlen.

Die Röntgenstrahlen haben eine große biologische Einwirkung auf Pflanzen, Tiere und Menschen. Kleinere Tiere können mit der Sicherheit des Experimentes dadurch getötet werden, ohne daß an der Haut etwas zu sehen ist; besonders empfänglich ist das hochorganisierte Gewebe der Keimdrüsen, der Eierstöcke und Hoden. Es gelingt, bei männlichen Tieren durch Bestrahlung von 5–15 Minuten eine vollständige Azoospermie d. i. Fehlen von Samentierchen

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1359. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/230&oldid=- (Version vom 20.8.2021)