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auf sein Kind übertragen. Wohnungen und Häuser, in denen Pockenkranke sind, müssen kenntlich gemacht werden, Kinder aus solchen Häusern dürfen die Schule nicht besuchen.

Der Aussatz (Lepra) welcher im Mittelalter und in der Folge durch strengste Absperrmaßregeln mit glänzendem Erfolg bekämpft wurde, hat erst in den letzten Jahrzehnten durch Krankheitsherde in Asien, Afrika, Norwegen, Südamerika und Ostpreußen die Aufmerksamkeit wieder auf sich gelenkt. Die Zeit, welche von der Ansteckung bis zum Auftreten deutlicher Krankheitserscheinungen vergeht, ist eine sehr lange und dadurch die Bekämpfung erschwert. Die strenge Absonderung der Kranken, welche die Vorbeugung erfordert, erscheint grausam, wenn man bedenkt, daß die Krankheitserscheinungen Jahrelang nur in Knotenbildung der Haut und der Knochen bestehen können und die Störungen des Befindens nur gering sind. Einzelne Einschleppungen erfolgen leicht vom Ausland in die deutschen Hafenstädte.

Der Unterleibstyphus gehört heute zu den am meisten verbreiteten ansteckenden Krankheiten. Er wird durch die Ausscheidungen typhuskranker Menschen verbreitet und gelangt teils durch direkte Unreinlichkeit auf Gebrauchsgegenstände, Nahrungs- und Genußmittel, teils indirekt vor allem in das Wasser und die Milch. Zwei Punkte sind für die Übertragung besonders gefährlich, einmal der Umstand, daß von der Ansteckung an 14–21 Tage bis zum Ausbruch stärkerer Krankheitserscheinungen vergehen, zweitens die Tatsache, daß viele Menschen, welche den Typhus überstanden haben, Herde von Typhusbazillen im Körper zurückbehalten und dauernd Typhusbazillen ausscheiden, ohne Krankheitserscheinungen zu zeigen. Man bezeichnet derartige Personen als Typhusbazillenträger. Sehr häufig ist infiziertes Wasser die Ursache für Typhusepidemien größerer und geringerer Ausdehnung. Unsere Truppen in Südwestafrika und in China haben ganz außerordentlich darunter gelitten.

Absonderung der Kranken. Einwandsfreie Nahrungsmittel.

Die wesentlichste Aufgabe der Hygiene ist natürlich die rechtzeitige Absonderung der Kranken und Sorge für einwandsfreie Nahrungs- und Genußmittel. Durch Kochen der letzteren läßt sich eine Sicherung gegen Übertragung erzielen, wenn auch die Hände und die Gefäße völlig rein sind. Aber die größte Schwierigkeit besteht darin, einwandfreies Trinkwasser zu beschaffen. Im Frieden ist in dieser Beziehung durch Schaffung von einwandfreien Wasserleitungen viel geschehen, für den Krieg sind Versuche gemacht worden Trinkwasser durch chemische Zusätze zu sterilisieren, Versuche die nicht ohne Aussicht auf Erfolg sind. Außerdem sind Merkblätter für die Bevölkerung und Ratschläge an Ärzte im Reichsgesundheitsamt ausgearbeitet worden, welche die Desinfektion der Ausleerungen, der Bettwäsche berücksichtigen. Außerordentlich reiche Mittel sind von seiten des Staates zur Bekämpfung dieser Krankheit besonders in verseuchten Teilen des Reiches verwendet worden. Die Untersuchungsstationen in der Rheinprovinz, in Elsaß-Lothringen, in der Pfalz dienen in der Hauptsache diesem Zweck. Ein Erfolg aller dieser Bestrebungen ist auch nicht zu verkennen. Die Erkrankungsziffer an Typhus ist von 11,0 auf 10 000

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1417. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/288&oldid=- (Version vom 20.8.2021)