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im Jahre 1890 auf 15,59% im Jahre 1900 und auf 14,9 im Jahre 1912 auf 10 000 Lebende gerechnet, gesunken, ein geradezu überraschender Erfolg. Hoffentlich gelingt es auch fernerhin die Tuberkulose erfolgreich zu bekämpfen.

Die Syphilis und ihre Bekämpfung.

Erreger der Seuche.

Die zweite wie in allen Kulturstaaten so auch in Deutschland ständig vorhandene Volksseuche, die Syphilis, hat in den letzten Jahrzehnten in diagnostischer und therapeutischer Beziehung ganz wesentliche Fortschritte aufzuweisen. Man wußte zwar seit langer Zeit, daß der Erreger der Seuche ein Mikroorganismus sein müßte, der vorwiegend im engsten Verkehr von Menschen zum Menschen übertragen würde. Aber erst Schaudienn und Hoffmann gelang es als regelmäßigen Befund in den verschiedensten syphilitischen Produkten eine wohlcharakterisierte Spirochäte zu finden, der sie den Namen Spirochaeta pallida gaben. Dieser Befund wurde von den verschiedensten Nachuntersuchern bestätigt und auch bei angeboren luetischen Kindern, sowie bei Affen, welche mit Syphilis infiziert waren, erhoben, während Spirochäten bei Nichtsyphilitischen niemals konstatiert werden konnten. In der Folgezeit ist es auch gelungen diese Spirochäten bei Erkrankungen des Zentralnervensystems aus syphilitischer Ursache wie der Dementia paralytica und der Tabes dorsalis nachzuweisen, ferner dieselben künstlich zu züchten und mit der Kultur Syphilis bei vielen Tieren hervorzurufen. Ein weiterer wesentlicher Fortschritt beruht auf der von Wassermann entdeckten Methode, durch Untersuchung des Blutserums von Menschen zu erforschen, ob der Betreffende an Syphilis gelitten hatte oder noch Reste der Syphilis im Blut zeigte. Die Ergebnisse dieser Methoden wurden zwar vielfach in Zweifel gezogen, aber nur bei frischen Scharlachfällen konnte eine ähnliche Serumreaktion erzielt werden, so daß die Wassermannsche Reaktion eine der wichtigsten Untersuchungsmethoden auf das Vorhandensein von Resten einer syphilitischen Erkrankung geworden ist. Die dritte große Entdeckung auf dem Gebiete der Syphilis verdanken wir Ehrlich und seinem Schüler Hata, die das von ihnen gefundene Arsenikpräparat Salvarsan 1910 in die Behandlung einführten. Es kann heute keinem Zweifel unterliegen, daß das Präparat bei entsprechender Anwendung mit Einspritzung in eine Vene das beste Heilmittel der Syphilis darstellt, daß es viele Fälle allein und rasch zur Heilung führt, während in anderen eine Nachbehandlung mit den älteren Mitteln, Quecksilber und Jod sich empfiehlt. Die allgemeine und energische Durchführung der Salvarsanbehandlung läßt hoffen, daß mit der besseren und rascheren Heilung auch die Übertragung der Syphilis immer seltener wird.

Gefahr der Seuche.

Heute gehört allerdings die Syphilis deshalb noch zu den gefährlichsten Seuchen, weil sie ihre deletären Wirkungen teilweise ganz schleichend entfaltet. Von den vielen syphilitischen Erkrankungen sei nur eine erwähnt, die Dementia paralytica (vielfach fälschlicherweise als Größenwahn

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1424. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/295&oldid=- (Version vom 20.8.2021)