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Aber nicht nur im Kampfe gegen die Rinderpest hat die auf neuen Bahnen wandelnde Seuchenbekämpfung gute Dienste geleistet, auch gegen die Mehrzahl der übrigen Tierseuchen hat die staatliche Seuchenbekämpfung inzwischen neue Tilgungsmaßnahmen in Anwendung gebracht. An erster Stelle ist hier das preußische Gesetz zur Abwehr und Unterdrückung von Viehseuchen vom 25. Juni 1875 zu nennen, dessen wesentliche Bestimmungen nach mehrjähriger Erprobung unter den vielgestaltigen wirtschaftlichen Verhältnissen des größten deutschen Bundesstaates als Reichsviehseuchengesetz vom 23. Juni 1880 für das ganze deutsche Reich in Geltung gesetzt wurden und sich bis in die Gegenwart als erfolgreiche Waffe im Kampfe gegen die Tierseuchen bewährt haben. Groß ist der Segen, der in den jüngst verflossenen 25 Jahren von diesem für die ganze Kulturwelt vorbildlichen Seuchengesetze ausgegangen ist. Es war nicht allein möglich, unter seiner Herrschaft trotz erheblicher Steigerung der Viehhaltung und des Viehverkehrs, die beide erfahrungsgemäß die Ausbreitung von Viehseuchen außerordentlich begünstigen, die Mehrzahl der Seuchen auf einem Stande der Ausbreitung zu erhalten, der eine angemessene wirtschaftliche Ausnutzung der wertvollen Viehbestände durchweg sehr wohl gestattete, sondern es gelang auch, außer der Rinderpest noch zwei andere verheerende Seuchen, die Schafpocken und die Lungenseuche, deren Folgen zur Zeit des Erlasses dieses Gesetzes noch allenthalben schwer empfunden wurden, im Laufe weniger Jahre vollständig zu unterdrücken und eine andere nicht minder gefürchtete Seuche, die Rotzkrankheit der Pferde, erheblich einzuschränken. Wenn gegenüber diesen zweifellosen Erfolgen auch von einem tellweisen Versagen des Seuchengesetzes bei einer Anzahl seuchenhafter Krankheiten, wie Schafräude, Milzbrand, Maul- und Klauenseuche, gesprochen werden kann, so ist wohl zu bedenken, daß dieses nicht in der mangelhaften Fassung der einschlägigen Bestimmungen allein begründet zu sein braucht. Bei der Maul- und Klauenseuche im besonderen hat die aus alter Zeit stammende, tief eingewurzelte Auffassung von der relativen Gutartigkeit dieser Seuche – die allerdings durch die Erfahrungen der letzten Jahre gründlich widerlegt worden ist – die rechtzeitige Anwendung scharfer Maßnahmen lange Zeit sehr erschwert. Hierin ist erst in jüngster Zeit durch Einräumung weitgehender Tötungsbefugnis in allen Fällen, in denen begründete Aussicht auf völlige Tilgung des Seuchenherdes besteht, Wandel eingetreten.

Tierseuchenforschung.

Eine wesentliche Förderung hat die staatliche Tierseuchenbekämpfung durch den außerordentlichen Aufschwung erfahren, den sowohl die allgemeine Seuchenforschung als auch die Tierseuchenforschung im besonderen in den letzten 25 Jahren genommen hat. Fußend auf den grundlegenden Untersuchungen Pasteurs, Robert Kochs, v. Behrings waren auch zahlreiche tierärztliche Forscher bemüht, das Dunkel, welches die Erreger der meisten Tierseuchen damals noch umgab, zu lichten und durch Studium ihrer Lebens- und Wirkungsweise neue Wege zu ihrer Bekämpfung zu finden. Neben hervorragenden ausländischen Fachgenossen wie Nocard, Arloing, Bang, Hutyra, C. O. Jensen u. a. war es auch deutschen Tierärzten vergönnt, bahnbrechend auf diesem neuen Arbeitsfelde zu wirken. Verwiesen sei hier, um nur einige aus der großen Zahl

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1434. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/305&oldid=- (Version vom 20.8.2021)